Im Atommüll-Zwischenlager in Gorleben tritt offenbar mehr Strahlung aus als angenommen. Das zeigen unter anderem Aufnahmen der Castorhalle, die Greenpeace-Aktivisten am vergangenen Samstag mit einer Wärmebildkamera anfertigte. Die Thermografieaufnahmen belegen, dass die durch den hochradioaktiven Atommüll aufgeheizte Luft aus den Lüftungsschlitzen des Lagers offenbar ungefiltert austritt. Auch sogenannte Streustrahlung gelange zu einem großen Teil auf diesem Weg in die Umwelt, sagt Greenpeace. Laut TÜV macht die Streustrahlung durch Neutronen aus Zu- und Abluftöffnungen der Castorhalle etwa zwei Drittel der an den Messpunkten erfassten Radioaktivität aus.
Bereits Ende August war bekannt geworden, dass die genehmigten Strahlengrenzwerte rund um das Zwischenlager Gorleben noch in diesem Jahr überschritten werden könnten. Laut TÜV besteht die außerhalb der Castorhalle gemessene Strahlendosis zu Dreiviertel aus Neutronenstrahlung und zu einem Viertel aus Gammastrahlung. Die Gefahr der Neutronenstrahlung wird seit 2001 höher eingeschätzt als zuvor. Dabei verblieben nach wie vor Unsicherheiten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Grenzwerte weiter nach oben angepasst werden müssen. Ende des Jahres sollen weitere elf Castorbehälter mit Atommüll aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague nach Gorleben gebracht werden. Hierdurch würde die Strahlenbelastung in der Umgebung weiter ansteigen.
Streustrahlung entweicht über Dach und Lüftung
„Radioaktive Strahlung kann man nicht sehen, auch das macht sie so gefährlich“, erklärt Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl. „Auf den Bildern ist die Abwärme der Castor-Behälter zu sehen. Die Wärme entsteht durch den radioaktiven Zerfall in den Castorbehältern und ist damit ein Indikator für die Brisanz der hochradioaktiven Abfälle. Speziell die gefährliche Neutronen-Streustrahlung kann außerdem über das Dach, ähnlich wie die Abluft entweichen. Die Wärmeverteilung auf den Greenpeace-Bildern zeigt auch, dass die 102 Atommüllbehälter im nördlichen Teil der Castorhalle stehen, da die Lüftungsschlitze dort deutlich wärmere Luft abgeben.
„Umweltminister Hans-Heinrich Sander sollte den Messungen seiner eigenen Behörde vertrauen, anstatt die alarmierenden Messwerte in Zweifel zu ziehen. Die logische Konsequenz muss sein: Castorstopp für Gorleben“, so Riedl. Nach den Berechnungen der niedersächsischen Atomaufsicht wird die starke Neutronen- und Gammastrahlung der hochradioaktiven Abfälle bereits nach der Belegung von weniger als einem Viertel der 420 zur Verfügung stehenden Castor-Stellplätze zur Überschreitung der Grenzwerte führen. Dies nach nur 16 Jahren Einlagerung in der für 40 Jahre genehmigten Castorhalle.
(Greenpeace, 27.09.2011 – NPO)