Körperliche Bewegung hilft auch den Menschen, die an der häufigsten genetischen Veranlagung für Übergewicht leiden. Ein aktiver Lebensstil schwäche den Einfluss dieses sogenannten FTO-Gens deutlich ab, berichten Forscher im Fachmagazin „PloS Medicine“. Das Risiko für Übergewicht sei daher bei körperlich aktiven Erwachsenen mit dieser Genvariante um 30 Prozent geringer als bei Betroffenen mit einem eher inaktiven Lebensstil.
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Dass Sport und viel Bewegung auch bei den Menschen zu einer Gewichtsreduktion führen kann, die allgemein eine genetische Veranlagung zu Übergewicht besitzen, hatten Ruth Loos von der Medical Research Council Epidemiology Unit in Cambridge und ihre Kollegen schon im letzten Jahr herausgefunden. Jetzt haben sie gezielt untersucht, welchen Einfluss ein aktiver Lebensstil auf dickmachende Varianten des FTO-Gens hat.
Daten von 218.000 Menschen analysiert
Nach Angaben der Wissenschaftler findet sich eine solche Genvariante bei mehr als 70 Prozent aller Europäer und Afroamerikaner und bei 28 bis 44 Prozent der Amerikaner asiatischer Abstammung. Das wisse man aus Kartierungen der Genaktivität. Für die aktuelle Studie habe man nun erstmals die Wirksamkeit von Sport auf mehr als 218.000 Träger dieser Genvarianten aus verschiedendsten Ländern und Kulturkreisen untersucht.
„Unsere Ergebnisse belegen erneut, dass körperliche Aktivität ein effektiver Weg ist, um sein Gewicht zu kontrollieren – und dies vor allem bei Menschen mit einer genetischen Veranlagung zum Übergewicht“, sagt Loos. „Das widerspricht der landläufigen Annahme, dass man gegen seine Gene ohnehin nichts tun kann.“
Programme zur Gewichtsreduktion durch Bewegung sinnvoll
Diese Erkenntnis sei wichtig auch für die öffentliche Gesundheit, meinen die Forscher. Sie zeige, dass gezielte Programme zur Gewichtsreduktion durch Bewegung für alle Übergewichtigen sinnvoll seien. Ob man mit Hilfe eines genetischen Tests von seiner Veranlagung zu Übergewicht wisse oder nicht ändere daran nichts.
Dieser Ansicht schließt sich auch Lennert Veerman von der University of Queensland in Australia in einem Kommentar in der gleichen Ausgabe des Fachmagazins an: „Sich auf individuelle genetische Veranlagungen zu konzentrieren ist eine bloße Ablenkung“, konstatiert der Forscher. Stattdessen sei das zunehmende Übergewicht der Menschen in den Industrieländern ein generelles Problem der modernen Lebensweise und müsse daher auch von der Gesellschaft als Ganzem bekämpft werden.
Mehr als 70 Prozent der Europäer tragen eine Risiko-Genvariante
Dass bestimmte Varianten des FTO-Gens Übergewicht fördern können, wurde bereits im Jahr 2007 entdeckt. „Jede Veränderung dieses Gens in einem Punkt erhöht das Risiko für Übergewicht bei seinem Träger um 20 bis 30 Prozent“, berichten Loos und ihre Kollegen. Das entspreche einer Zunahme um durchschnittlich ein Kilogramm pro Mutation für einen rund 1,70 Meter großen Menschen. Addierten sich mehrere solcher Veränderungen, könne sich das Körpergewicht aber auch stärker erhöhen.
Ob sich der Effekt dieser FTO-Genvariante durch die Lebensweise beeinflussen lässt, war bisher umstritten. Das habe man erst jetzt durch die umfangreiche Meta-Analyse bewiesen, sagen die Wissenschaftler.
Daten aus 45 Studien ausgewertet
Für ihre Studie nutzten die Forscher Daten aus 45 vorhergehenden Studien, die insgesamt 218.116 Erwachsene und 19.268 Kinder erfassten. Aus den Daten ermittelten sie, welche FTO-Variante die Studienteilnehmer jeweils besaßen, welches Körpergewicht sie hatten und ob sie eher einen aktiven oder inaktiven Lebensstil pflegten.
Die Auswertung ergab, dass Sport bei erwachsenen Trägern der dickmachenden Genvariante zu einem im Durchschnitt geringeren Übergewicht führte. Auch der Körperfettanteil und der Taillenumfang seien bei den aktiven Betroffenen geringer gewesen als bei den inaktiven, sagen die Forscher.
Bei Kindern und Jugendlichen habe man dagegen keinen Unterschied feststellen können. Bei ihnen scheine körperliche Bewegung keinen nachweisbaren Effekt auf die Genvariante zu haben. (PloS Medicine, 2011; doi:10.1371/journal.pmed.1001116)
(PloS Medicine / dapd, 02.11.2011 – NPO)