Wenn es um die Entstehung von Vulkaninseln wie Hawaii geht, wird meistens die sogenannte Hotspot-Theorie zu Rate gezogen. Doch es gibt ozeanische Vulkane, die nicht in das Bild passen und bisher rätselhaft geblieben sind. Dazu gehören die erloschenen Unterwasservulkane rund um die Weihnachtsinsel im Indischen Ozean. Kieler Meeresforscher haben einen Teil des Rätsels gelüftet – mit überraschenden Ergebnissen, über die sie in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ berichten.
Wie Perlen auf einer Schnur – so liegen Vulkaninseln oder Unterwasservulkane in den Ozeanen oft nebeneinander. Derartige Vulkanketten, wie beispielsweise das Hawaii Archipel, lassen sich mit dem sogenannten Hotspot-Modell erklären. An einem festen Ort, dem Hotspot, dringt heißes Material aus dem Erdinneren durch die ozeanische Erdkruste und bildet auf ihr einen Vulkan.
Hotspot…
Da sich die Erdplatten über dem Hotspot bewegen, bewegt sich auch der Vulkankegel irgendwann vom Hotspot fort. Er erhält keinen Lava-Nachschub mehr und erlischt, während sich direkt über dem Hotspot ein neuer Vulkan bildet. Im Laufe der Jahrmillionen entsteht so eine ganze Kette erloschener Vulkankegel, die die Bewegungsrichtung der jeweiligen Erdplatte anzeigt. Doch dieses einfache und schlüssige Modell lässt sich nicht auf alle Unterwasservulkane anwenden.
…oder doch nicht
„Die Entstehung der Christmas Island Seamount Provinz im östlichen Indischen Ozean passt beispielsweise überhaupt nicht ins Bild“, sagt Professor Kaj Hoernle vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR). Die dazu gehörigen Vulkankegel erstrecken sich über ein Gebiet von 1.800 mal 600 Kilometern im Seegebiet zwischen Australien und Indonesien. Die Ozeankruste wächst in dieser Region in Nord-Süd Richtung, die Seamounts erstrecken sich jedoch sehr unregelmäßig in Ost-West Richtung.
„Wir wollten die Entstehung dieser rätselhaften Seamounts ergründen, um zu überprüfen, ob es vielleicht Prozesse gibt, die wir noch gar nicht kennen“, sagt Hoernle. Deshalb hat ein Forscherteam des IFM-GEOMAR unter Professor Hoernles Leitung im Jahr 2008 mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE den Meeresboden des Seegebiets umfassend kartiert und beprobt. Anschließend wurden die geborgenen Proben und die Vermessungsdaten am IFM-GEOMAR und an der Universität Sydney intensiv analysiert und ausgewertet.
Seamounts vor 136 bis 47 Millionen Jahren entstanden
Den Ergebnissen der Forscher zufolge sind die untersuchten Seamounts vor 136 bis 47 Millionen Jahren entstanden, wobei die östlichen tendenziell älter sind. Außerdem sind sie nur wenig jünger als die Ozeankruste, auf der sie stehen. Das deutet darauf hin, dass sie in der Nähe eines mittelozeanischen Rückens entstanden sind, wo auch die Ozeankruste gebildet wird.
Die größte Überraschung erlebten die Wissenschaftler jedoch bei der geochemischen Analyse der Proben. Sie zeigte, dass die Quelle, aus der die Laven dieser Vulkane stammen, Ähnlichkeiten zu kontinentalem Material besitzt. Das ist für ozeanische Vulkane in diesem Umfang sehr ungewöhnlich. „Wir haben diese Ergebnisse mit plattentektonischen Rekonstruktionen verbunden und herausgefunden, dass die Christmas Island Seamount Provinz genau an der Stelle entstanden ist, an der sich Australien, Indien und West Burma beim Aufbrechen des Superkontinents Gondwana vor rund 150 Millionen Jahren voneinander getrennt haben“, erklärt Hoernle.
Neuer Ozean an der Bruchstelle
An der Bruchstelle entstand damals ein neuer Ozean, zwischen den Bruchstücken begann sich ozeanische Erdkruste zu bilden. Möglicherweise ist dabei kontinentales Material in den oberen Erdmantel unter den neu gebildeten Ozeanboden gelangt. „Kontinentales Material ist leichter zu schmelzen als normaler ozeanischer Mantel. Es kam zu einem Magma-Überschuss, wodurch letztendlich die Seamounts gebildet wurden – inklusive des kontinentalen Materials, das wir jetzt mitten im Ozean finden“, erklärt Hoernle.
Damit haben die Forscher einen bisher weitgehend unbekannten Prozess gefunden, der kontinentales Material in die oberen Bereiche des ozeanischen Erdmantels transportiert. „Diese Erkenntnis ist ein weiteres wichtiges Puzzlestück, um die Prozesse und Stoffkreisläufe zu verstehen, die tief im Erdinneren ablaufen. Sie formen die Erde, auf der wir leben, entziehen sich aber leider der direkten Beobachtung“, erklärt der Meeresgeologe. (Nature Geoscience, 2011; http://dx.doi.org/10.1038/NGEO1331)
(Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), 28.11.2011 – DLO)