Im tiefen Inneren der Erde wandelt sich normales Eisenoxid in eine bisher völlig unbekannte Metallform um: Es wird leitfähig, ohne dafür seine Struktur zu verändern. Das haben US-amerikanische Forscher bei Experimenten und in Computersimulationen herausgefunden. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das gesamte Eisenoxid im unteren Erdmantel leitend ist“, berichten sie im Fachmagazin „Physical Review Letters“. Das normalerweise nicht leitende Eisenoxid ist ein wichtiger Bestandteil des Ferroperiklas, des zweithäufigsten Minerals im unteren Erdmantel, und daher prägend für die Eigenschaften des Gesteins in dieser Erdschicht.
{1r}
„Diese Entdeckung hat große Bedeutung auch für das Magnetfeld der Erde, das im äußeren Erdkern entsteht“, sagt Ronald Cohen vom Geophysikalischen Labor der Carnegie Institution in Washington, einer der Autoren der Studie. Das leitfähige Eisenoxid beeinflusse die elektromagnetischen Wechselwirkungen zwischen dem äußeren Erdkern und dem Erdmantel. Bisherige Vorstellungen darüber, wie das Magnetfeld gebildet und nach außen an die Erdoberfläche übertragen wird, müssen nach Ansicht der Forscher nun neu überdacht werden.
Atome bilden Kristall ähnlich dem Kochsalz
„Ältere Messungen hatten bereits gezeigt, dass Eisenoxid (FeO) bei hohem Druck und hohen Temperaturen metallisch wird, aber man dachte, dass sich dabei auch eine neue Kristallstruktur bildet“, erklärt Cohen. Unter normalen Bedingungen sind die Atome im Eisenoxidkristall ähnlich angeordnet wie beim Kochsalz. Diese Struktur wirkt wie ein elektrischer Isolator und leitet keinen Strom.
„Jetzt zeigen unsere Experimente, dass sich Eisenoxid bei rund 690.000 Atmosphären Druck und 1.650 Grad Celsius in ein leitfähiges Metall verwandelt, ohne dass sich diese Struktur ändert“, sagt Cohen. Ein Modell belege zudem, dass sich dabei die Elektronen im Kristall völlig anders verhalten als bei allen anderen metallischen Materialien.
„Die Tatsache, dass sich die Eigenschaften eines Minerals so vollständig unterscheiden können, je nachdem, wo sich dieses innerhalb der Erde befindet, ist eine große Entdeckung“, kommentiert Russell Hemley, Leiter des Geophysical Laboratory der Carnegie Institution die Studie.
Extremer Druck presst Atome enger zusammen
Der gewaltige Druck und die hohen Temperaturen im Erdinneren pressen die Atome aller Materialien enger zusammen als normal. Dadurch verändern sich die Wechselwirkungen der Atome und Elektronen und Substanzen können ihre Eigenschaften verändern. Meist aber geht dies auch mit einer Veränderung der Kristallstruktur einher: Die Atome ordnen sich um, um noch kompaktere, dichtere Gitter zu bilden.
Dass dies bei Eisenoxid nicht das Fall ist, haben die Forscher mit Hilfe einer speziellen Apparatur herausgefunden. Sie konzentriert gewaltigen Druck auf einen kleinen Punkt und ermöglicht es so, die extremen Bedingungen im Erdinneren nachzuahmen. Die Forscher können damit Temperaturen von rund 2.200 Grad Celsius und einem Druck von 1,4 Millionen Atmosphären auf eine Probe einwirken lassen.
Kristallstruktur verändert sich nicht
Doch bereits bei deutlich weniger Druck und Hitze habe man eine Veränderung des Eisenoxids festgestellt, sagen die Forscher. Von einem elektrisch isolierenden Stoff habe es sich zu einem leitfähigen Metall gewandelt – mit immer noch gleicher Kristallstruktur. In einem ergänzenden Modell simulierten die Wissenschaftler, wie sich die Elektronen im Kristall verhalten müssten, um diese Wandlung hervorzubringen. (Physical Review Letters, 2011)
(Physical Review Letters / dapd, 21.12.2011 – NPO)