Tage mit Temperaturen über 34 Grad Celsius schädigen den Weizen und lassen ihn vorzeitig altern. Hitzewellen können so zu Ernteeinbußen von bis zu 20 Prozent führen – selbst wenn der Weizen dabei genügend Wasser und Nährstoffe erhält. Das haben Forscher in einer Langzeitstudie in Indien herausgefunden. Der Effekt kurzzeitiger Hitze gehe damit über die bisher bekannten Wirkungen steigender Durchschnittstemperaturen hinaus. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Klimawandel den Weizen vor noch größere Probleme stellt als bisher in Modellstudien angenommen, warnen die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Climate Change“.
Durch den Klimawandel steigen nicht nur die durchschnittlichen Temperaturen, auch Hitzewellen nehmen an Häufigkeit zu. Wie sich solche heißen Tage auf den Weizen und seine Erträge auswirken, sei bisher kaum in größerem Rahmen untersucht worden, schreiben David Lobell von der kalifornischen Stanford University und seine Kollegen. Sie nutzten nun Satellitenmessungen, um über neun Jahre hinweg das Weizenwachstum in einem großen Anbaugebiet im Norden Indiens zu verfolgen.
Die Forscher stellten fest, dass Temperaturen oberhalb von 34 Grad das Altern der Weizenpflanzen beschleunigen: Die Halme werden bereits gelb, während sie noch die Körner in den Ähren bilden. Die Hitze zerstöre den Fotosynthese-Apparat der Weizenpflanzen, sagen die Forscher. Dadurch können die Pflanzen das Sonnenlicht nicht mehr in Energie umwandeln und wachsen nicht mehr. Als Folge bleiben die Körner klein oder fehlen sogar ganz.
20 Prozent Ernteeinbußen bei zwei Grad Erwärmung
„Unsere Satellitenmessungen zeigen, dass ein Anstieg der Temperaturen um zwei Grad die grüne Wachstumsphase des Weizens um rund neun Tage verkürzen würde“, berichten Lobell und seine Kollegen. Diese Verkürzung führe zu einer Ernteeinbuße von 20 Prozent. Das sei doppelt so viel, wie es bisherige Modelle vorhergesagt hatten.
Nach Ansicht der Forscher belegen die Beobachtungen, dass der Weizen selbst durch kurzzeitige Hitzeperioden geschädigt werden kann. Das mache ihn deutlich sensibler gegenüber den Folgen der globalen Erwärmung als bisher angenommen. „Der Erfolg neuer, an den Klimawandel angepasster Sorten wird daher auch davon abhängen, wie gut man ihre Anfälligkeit gegenüber sehr heißen Tagen senken kann“, meinen die Wissenschaftler.
Fotosynthesemessung aus dem Orbit
Für ihre Studie hatte die Forscher Daten des Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) an Bord des Satelliten Terra der US-Raumfahrtbehörde NASA ausgewertet. Mit dem MODIS-Instrument lässt sich unter anderem messen, wie viel Fotosynthese Pflanzen eines bestimmten Gebiets betreiben und damit auch, wie gut sie wachsen. Diese Daten kombinierten die Forscher mit Daten zum Ernteertrag und Klima.
Die Wissenschaftler konzentrierten ihre Analyse auf die Indus-Ganges-Ebene in Nordindien. Dieses Gebiet sei eines der größten Weizenanbaugebiete der Welt, berichten sie. Nahezu 100 Prozent dieser Anbauflächen seien bewässert und daher immer gleichmäßig feucht. Dadurch könne man dort gezielt den Effekt nur der Temperaturen auf das Wachstum des Weizens beobachten. „Unsere Beobachtungen spiegeln zudem das Verhalten zahlreicher verschiedener Weizensorten wieder, die in diesen Gebiet unter realen Bedingungen angebaut und geerntet werden“, schreiben die Forscher. (Nature Climate Change, 2012; doi: 10.1038/nclimate1356)
(Nature, 30.01.2012 – NPO)