Der Umweltlärm stört die Beziehung von Vogelnestlingen zu ihren Eltern: Herrscht ein hoher Geräuschpegel in der Nestumgebung, überhören die Jungvögel häufiger deren Ankunft. Dadurch sperren sie die Schnäbel nicht oder erst verspätet auf, um gefüttert zu werden. Das haben kanadische Forscher in einem Experiment mit nistenden Sumpfschwalben festgestellt. Die Ergebnisse trügen zu den zunehmenden Hinweisen bei, dass Lärm, beispielsweise in Städten oder durch Straßen, die Wahrnehmung akustischer Signale bei Tieren störe, berichten die Forscher im Fachmagazin „Biology Letters“.
„Wenn Tiere in lauten Umgebungen wichtige Signale, wie Alarmrufe oder die Hinweise auf einen sich nähernden Feind überhören, kann dies ihr Überleben und auch ihre Vermehrung langfristig verringern“, schreiben Marty Leonard und Andrew Horn von der Dalhousie University in Halifax. Dieser Effekt könnte daher auch für den sinkenden Fortpflanzungserfolg von Singvögeln in lärmerfüllten Umgebungen verantwortlich sein.
Nester mit künstlichem Lärm beschallt
In ihrem Experiment hatten die Wissenschaftler 96 junge Sumpfschwalben-Nestlinge jeweils paarweise in eine Nistbox gesetzt. Per Lautsprecher wurde eine Hälfte mit Lärm von rund 65 Dezibel beschallt, die andere nicht. Dieser Lärmpegel entspricht in etwa dem von in zehn Metern Entfernung vorbeifahrenden Autos. Nach kurzer Eingewöhnungszeit spielten die Forscher den Nestlingen das Geräusch der anfliegenden Elternvögel vor, den Ruf der Eltern sowie das Geräusch, das ein auf der Nistbox landender Greifvogel macht.
„Die Nestlinge, die dem Umgebungslärm ausgesetzt waren, reagierten signifikant seltener auf den Ruf oder das Geräusch der ankommenden Eltern als ihre in ruhigeren Nestern sitzenden Artgenossen“, schreiben die Forscher. Offenbar mache der Umgebungslärm es für die Jungvögel schwieriger, die von den Eltern verursachten Geräusche aus dem Lärm herauszuhören.
Im Versuch habe man noch relativ niedrige Lärmpegel eingesetzt. „Lauterer Lärm, wie er beispielsweise im durchschnittlichen Stadtverkehr auftritt, hat vermutlich noch stärkere Auswirkungen als die hier von uns dokumentierten“, betonen Leonard und Horn.
Verpasste Fütterungen und mehr Stress für die Eltern
Noch sei nicht klar, welche langfristigen Folgen dieses veränderte Verhalten für die Vögel habe, sagen die Forscher. Die Spannbreite möglicher Folgen reiche aber von verpassten Fütterungen – und damit einer Unterernährung der Nestlinge – bis hin zu häufigeren Anflügen und Fütterungsversuchen der Elternvögel. Das wiederum könnte Nest und Altvögel erhöhter Gefahr durch Fressfeinde aussetzen.
Am stärksten durch den Lärm gefährdet sind nach Ansicht der Forscher sehr junge, nur wenige Tage alte Nestlinge. Denn bei ihnen sind vielfach die Augen noch nicht offen – bei den Sumpfschwalben können die Jungvögel erst ab dem fünften Tag sehen. Daher seien diese Nestlinge erheblich stärker auf rein akustische Signale angewiesen. (Biology Letters, 2012; doi:10.1098/rsbl.2012.0032)
(Biology Letters / dapd, 23.02.2012 – NPO)