Zoologie

Auch bei Honigbienen gibt es Draufgänger und Angsthasen

Persönlichkeitsunterschiede zeigen sich im Verhalten und am Gehirn

Zu den Kundschafterinnen gehörende Honigbiene auf dem Rückflug zu ihrem Stock in Urbana, Illinois. © Alex Wild / alexanderwild.com

Auch bei Honigbienen gibt es Draufgänger und Angsthasen: Einige Arbeiterinnen übernehmen häufig riskante Aufgaben wie das Suchen nach Futterquellen oder einem neuen Nest, andere dagegen nie. Diese Unterschiede in der Persönlichkeit spiegeln sich auch in den Gehirnen der Bienen wider. Bei den Kundschafterinnen seien zahlreiche Gene und Botenstoffe wie Glutamat oder Dopamin auf andere Weise aktiv als bei ihren weniger mutigeren Stockgenossinnen, berichten US-amerikanische Forscher im Fachmagazin „Science“.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es Persönlichkeitszüge wie die Lust am Neuen nicht nur beim Menschen und anderen Wirbeltieren gibt, sondern auch bei diesem Insekt“, schreiben Zhengzheng Liang von der University of Illinois in Urbana und seine Kollegen. Man habe bei den Bienen ähnlich typische Verhaltensunterschiede und deren molekulare Basis gefunden wie beim Menschen.

Nest-Sucherinnen sind auch beim Pollensammeln mutiger

Wenn ein Bienenvolk schwärmt, fliegt ein kleiner Teil der Arbeiterinnen voraus und sucht nach einem geeigneten Ort um ein neues Nest zu gründen. Diese Kundschafterinnen machten meist etwa fünf Prozent des Schwarms aus, wie die Forscher berichten. Sie hatten einen Teil dieser Bienen markiert, um herauszufinden, ob diese sich auch bei einer anderen Aufgabe im Bienenstock als besonders mutig hervortun: der Suche nach neuen Futterquellen. Normalerweise übernehmen nur fünf bis 25 Prozent der Sammlerinnen diese Aufgabe, die restlichen fliegen erst dann aus, wenn ihnen die Futtersucherinnen mitteilen, wo sich Nektar und Pollen finden lassen.

Tatsächlich wurden die Nest-Kundschafterinnen 3,4 Mal häufiger zu Futtersucherinnen als Arbeiterinnen, die im sicheren Schwarm geblieben waren, wie die Wissenschaftler berichten. Das belege, dass diese Bienen konstant mutiger und stärker auf Neues ausgerichtet seien als ihre Artgenossinnen. „Wenn jemand die gleiche Verhaltenstendenz in verschiedenen Zusammenhängen zeigt, dann kann man das durchaus als Persönlichkeit bezeichnen“, sagt Studienleiter Gene Robinson von der University of Illinois.

Eine Futter-Kundschafterin ist zum Stock zurückgekehrt und teilt ihre Nahrung mit einer anderen, dabei kommuniziert sie auch den Ort der neu entdeckten Futterquelle. © Zachary Huang / beetography.com

Unterschiede in mehreren tausend Genen

Die Forscher untersuchten auch, ob sich die Persönlichkeit der Bienen am Gehirn der Tiere erkennen lässt. Dazu verglichen sie die Genaktivität in den Gehirnen von mutigen und weniger mutigen Arbeiterinnen – und wurden bei mehreren tausend Genen fündig: „Das Ausmaß der Unterschiede war erstaunlich, vor allem angesichts der Tatsache, dass ja sowohl die Kundschafterinnen als auch die Nicht-Kundschafterinnen zur Kaste der Sammlerinnen im Bienenstaat gehören“, sagt Robinson.

Deutlich verändert waren einige Gehirnbotenstoffe, die auch bei Wirbeltieren einen starken Einfluss auf Verhalten und Persönlichkeit haben, wie die Forscher berichten. So sei bei den Kundschafterinnen ein Gen für eine Dopamin-Andockstelle weniger aktiv gewesen. Dieser Botenstoff spiele auch bei Säugetieren und dem Menschen eine wichtige Rolle für den Drang nach neuen Erfahrungen.

Werkzeugkiste der Natur

„Wir halten es für wahrscheinlich, dass diese molekularen Mechanismen Teil einer grundlegenden Werkzeugkiste der Natur sind“, schreiben Liang und seine Kollegen. Diese Signalwege seien dann im Laufe der Evolution mehrfach bei verschiedenen Tiergruppen für einen ähnlichen Zweck eingesetzt worden. (Science, 2012; doi: 10.1126/science.1213962)

(Science / dapd, 09.03.2012 – NPO)

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