Frankfurter Wissenschaftler haben fossile Organe in 500 Millionen Jahre alten Gliederfüßern entdeckt. Das exzellent erhaltene Verdauungssystem gibt wichtige Hinweise auf die Lebensweise der seit 250 Millionen Jahren ausgestorbenen Trilobiten. Im Fachjournal „PLoS ONE“ berichten die Paläontologen aber auch über ein bisher unbekanntes Organ der Tiere, das den Wissenschaftlern noch Rätsel aufgibt.
Vor etwa 550 Millionen Jahren fiel der Startschuss für das Leben auf unserer Erde: Während der „kambrischen Explosion“ entwickelten sich beinahe alle Vorläufer heutiger Tierstämme. Die Meere waren die eigentlichen Orte des Lebens – einzellige Algen und quallenähnliche Weichtiere schwammen durch das Wasser, wurmartige Lebewesen krochen über den Meeresboden und wühlten sich durch den Schlamm. Über lange Zeit dominierten die Ozeane krebsähnliche Trilobiten aus dem Stamm der Gliederfüßer (Arthropoden).
Innenleben der Trilobiten untersucht
Rudy Lerosey-Aubril und Jörg Habersetzer vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt haben nun in einer neuen Studie das Innenleben der dreiteilig gegliederten noch weitgehend rätselhaften Tiere untersucht. Gemeinsam mit amerikanischen, mexikanischen und französischen Kollegen beschrieben sie dieses in „PLoS ONE“ anhand von über 500 Millionen alten Fossilien.
„Wir haben als Phosphorit erhaltene Trilobiten einer kambrischen Lagerstätte in Utah untersucht“, erzählt Lerosey-Aubril. „Die dort gefundenen Arthropoden haben einen ausgezeichnet erhaltenen Verdauungsapparat. Das gab uns die Möglichkeit, die inneren Strukturen dreidimensional und bis ins kleinste Detail zu erforschen.“
Gute Konservierung
Dass ein Weichkörper so gut erhalten ist, kommt bei über 500 Millionen Jahre alten Fossilien sehr selten vor. Das Forscherteam nahm deshalb nicht nur die inneren Organe unter die Lupe, sondern stellte sich auch die Frage, wie es zu der außergewöhnlich guten Konservierung kam. „Besonders der Darmtrakt der Tiere ist perfekt erhalten. Wir vermuten, dass dort ein Mikromilieu herrschte, in dem das für die mineralische Fossilisation erforderliche Phosphat entstand und ‚abgelagert‘ wurde“, erklärt Habersetzer.
„Auch heutige Gliederfüßer haben die Fähigkeit, mineralische Stoffe in ihrem Gewebe einzulagern. Die Phosphatierung in den von uns untersuchten Trilobiten erstreckt sich aber in manchen Fällen auf das gesamte Verdauungssystem. Es ist gut möglich, dass die ausgestorbenen Arthropoden über einige biologische Besonderheiten verfügten.“
„Kleidertausch“ mit Folgen
Das Wissenschaftlerteam vermutet, dass die erhöhte Speicherkapazität für Phosphor und Calcium im Zusammenhang mit den Häutungen der Trilobiten steht. Die Tiere hatten – im Gegensatz zu anderen Gliederfüßern der Vergangenheit und Gegenwart – ein besonders stark mineralisiertes Außenskelett. Dieses wechselten sie mehrmals im Leben, um wachsen zu können. Konsequenz des „Kleidertausches“ war nach Angaben der Forscher ein erhöhter Bedarf an Calciumphosphat, das die Härtung der Außenhaut beschleunigt – ein „Speicher“ im Verdauungssystem wäre hier sehr hilfreich gewesen.
„Wir denken, dass die Trilobiten, die einen exzellent konservierten Verdauungstrakt aufweisen, kurz vor ihrer Häutungsphase gestorben sind“, erläutert Lerosey-Aubril und ergänzt: „Zu diesem Zeitpunkt war genug Calciumphosphat vorhanden, um den Magen-Darm-Trakt zu fossilisieren.“
Rätselhafte Trilobiten
Trilobiten sind im Erdaltertum bezüglich ihrer Vielfalt und Anzahl mit den Krebstieren der heutigen Ozeane vergleichbar. Dennoch ist verhältnismäßig wenig über die Anatomie, die Ernährung und die Lebensweise der ausgestorbenen Meeresbewohner bekannt. Kaum verwunderlich ist es daher, dass die Frankfurter Paläontologen ein bisher unbekanntes, rätselhaftes Organ im Hinterteil eines der Gliederfüßer gefunden haben.
Die Anatomie der gepanzerten Urtiere ist möglicherweise wesentlich komplexer, als bisher vermutet, so die Forscher. Immerhin haben Trilobiten gut 300 Millionen Jahre lang die Ozeane bevölkert, bevor sie vor 250 Millionen Jahren ausstarben. (PLoS ONE, 2012; http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0032934)
(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 16.03.2012 – DLO)