Die Erde hat mehr als nur einen Mond: Immer kreist neben dem großen Erdtrabanten noch mindestens ein kleiner, nur rund einen Meter großer Minimond unseren Planeten. Das hat ein internationales Forscherteam ermittelt. Bisher hatte man erst einen dieser kleinen Erdbegleiter direkt beobachtet, er hielt sich vom Juni 2006 an rund ein Jahr im Erdorbit auf. Danach verließ er die Umlaufbahn und nahm sein früheres Leben als die Sonne umkreisender Asteroid wieder auf. Die Erde fange solche Asteroiden regelmäßig ein und behalte sie dann für rund neun Monate im Orbit, berichten die Astronomen im Fachmagazin „Icarus“.
Am 14. September 2006 hatten Astronomen des Catalina Sky Survey in Arizona ein unbekanntes Objekt von der Größe eines Kleinwagens im Erdorbit entdeckt. Zunächst war unklar, ob es sich dabei nicht einfach um ein Stück Weltraumschrott handelte, so dass der fliegende Brocken nicht einmal eine offizielle Bezeichnung erhielt. Später stellte sich heraus, dass es sich wohl doch um einen Gesteinsbrocken handelt, möglicherweise einen Asteroiden, der durch die Erdschwerkraft aus seiner Bahn um die Sonne abgelenkt und eingefangen worden war. Am 14. Juni 2007, nach vier Umkreisungen, verließ der Brocken die Erdumlaufbahn wieder und flog weiter in Richtung Sonne.
Seither war strittig, ob es sich bei diesem Ereignis um eine Ausnahme handelte, oder ob die Erde regelmäßig solche Asteroiden einfängt und zu temporären Begleitern macht. Um dies zu klären, simulierten Mikael Granvik von der Universität von Helsinki und seine Kollegen die Flugbahnen von zehn Millionen Asteroiden, die dicht an der Erde vorbeifliegen. Mit Hilfe eines Supercomputers berechneten sie, wie viele dieser Objekte wie lange von der Erde eingefangen wurden.
Das Ergebnis: Ein Trabant von mindestens einem Meter Durchmesser ist fast immer im Erdorbit zu finden. Im Durchschnitt umkreisen diese Minimonde die Erde 2,9 Mal bis sie weiterfliegen. Rund neun Monate halten sie sich dabei durchschnittlich in Erdnähe auf, es gebe aber auch Minimonde, die Jahrzehnte im Orbit blieben. Zu einer Kollision dieser Objekte mit der Erde komme es aber nur in sehr wenigen Fällen: „Wir schätzen dass nur rund 0,1 Prozent der auf der Erdoberfläche eingeschlagenen Meteoriten solche Minimonde waren“, schreiben die Forscher.
Chaotische Flugbahnen um die Erde
Im Gegensatz zu unserem großen Mond, der die Erde auf einer nur leicht elliptischen, geordneten Bahn umkreist, sind die Flugbahnen der Mínimonde um die Erde eher chaotisch: Sie folgen komplizierten, sich verändernden Bahnen, wie die Astronomen berichten. Das liege daran, dass diese Objekte nur lose von der Erdschwerkraft gebunden seien. Die sich verändernden Schwerkrafteinflüsse von Sonne und Mond führten daher zu Störungen in der Bahn, die die Minimonde ablenke. Der Einfluss der Sonnenschwerkraft sei es auch, der letztlich die Minimonde wieder aus dem Erdorbit befreie, sagen die Forscher.
Nach Ansicht der Forscher sind die Minimonde aus wissenschaftlicher Sicht extrem interessant, denn als Relikte des frühen Sonnensystems liefern sie ihre Informationen quasi frei Haus. Man könnte sie relativ leicht einfangen und zur Erde bringen: „Das wäre eine kostengünstige Methode, um eine Probe von Asteroidenmaterial zu erhalten, das sich seit Anfang unseres Sonnensystems vor rund 4,5 Milliarden Jahren nicht sehr verändert hat“, sagt Studienleiter Robert Jedicke von der University of Hawaii in Honolulu. (Icarus, 2012; doi: 10.1016/j.icarus.2011.12.003)
(University of Hawaii, 30.03.2012 – NPO)