Geowissen

Karakorum-Gletscher trotzen der Eisschmelze

Eiskappen des Himalaya-Ausläufers sind im letzten Jahrzehnt sogar gewachsen

Blick über das Hunzatal und die Gipfel des Karakorum. © Hashoo Foundation/CC-by-sa 2.0 us

Die Gletscher des Karakorum-Gebirges in Zentralasien trotzen dem allgemeinen Trend zur Schmelze: Statt zu schrumpfen legten sie im letzten Jahrzehnt sogar leicht zu. Das zeigt eine Vermessung mit Hilfe von Satellitendaten. Damit verhalten sie sich völlig anders als die direkt benachbarten Gletscher der Himalaya-Hauptkette. Dass sich die Karakorum-Gletscher anormal verhielten, sei bereits vermutet worden, aber erst jetzt habe man dies durch Messungen bestätigen können, berichten französische Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“. Aus den Daten gehe hervor, dass das Schmelzwasser dieser Gletscher auch deutlich weniger zum Meeresspiegelanstieg beitrage als bisher angenommen.

Warum sich der Karakorum so ungewöhnlich verhalte sei noch unklar, sagen die Forscher. Es gebe aber Hinweise darauf, dass es in den Tälern unterhalb der Gletscherregion in den Wintern seit 1961 zunehmend mehr geregnet habe. Weiter oben im Gebirge seien diese Niederschläge vermutlich als Schnee gefallen und hätten damit die Gletscher anwachsen lassen. „Die mittleren Sommertemperaturen sind zudem an allen Klimastationen dieses Gebiets zwischen 1961 und 2000 leicht gesunken“, schreiben Julie Gardelle von der Université de Grenoble und ihre Kollegen.

Der Karakorum liegt am nordwestlichen Ende des Himalaya-Gebirges im Grenzgebiet von China, Indien und Pakistan. In ihm liegen mindestens vier Achttausender, darunter der berühmte K2. Nach Angaben der Forscher ist der Karakorum mit insgesamt rund 19.950 Quadratkilometern an Gletschereis bedeckt. Wegen der unzugänglichen und politisch umstrittenen Lage dieser Eisflächen seien direkte Messungen in diesem Gebiet kaum möglich, entsprechend unklar sei die Entwicklung dieser Gletscher bisher gewesen.

Digitale Höhenmodelle verglichen

Für ihre Messungen hatten die Forscher zwei digitale Höhenmodelle verglichen, die im Jahr 2000 und 2008 von zwei Radarsatelliten erstellt worden waren. Aus den Höhenunterschieden der Eisoberflächen ermittelten sie die Massenverluste oder -gewinne der Gletscher in einem 5.615 Quadratkilometer großen Untersuchungsgebiet. Aus den Ergebnissen gehe hervor, dass die Massenbilanz der Karakorum-Gletscher von 1999 bis 2008 im Durchschnitt eindeutig positiv sei. „Es scheint, dass diese Gletscher dem weltweiten Trend zum Schrumpfen der Gletscher nicht folgen“, berichten die Forscher.

Geröll schützt Gletscher nicht vor dem Schrumpfen

Eine weitere Beobachtung der Forscher könnte auch für Gletscher in anderen Regionen der Erde wichtig sein: Denn ihre Messungen zeigen, dass schuttbedeckte Gletscher genauso stark abgetragen werden wie unbedeckte, saubere Eisflächen. „Das widerspricht der allgemeinen Auffassung, dass die Geröllschicht eine schützende Wirkung auf das Eis hat“, schreiben Gardelle und ihre Kollegen. Das auflagernde Geröll, so dachte man bisher, bewahre das Eis vor der Erosion und isoliere es gegen die Wärme der Luft.

Nach Ansicht der Forscher gibt es zwei Hypothesen, die diese ungewöhnliche Beobachtung erklären können: Zum einen könnten vorstehende Eisgrate, Schmelzwassertümpel oder eine zu dünne Schuttschicht die Schutzwirkung abschwächen. Zum anderen fließen viele der geröllbedeckten Gletscher im Karakorum langsamer als die unbedeckten. Dadurch ströme das Eis weniger schnell aus höheren Lagen nach und die Gletscherzunge werde dadurch dünner, meinen die Wissenschaftler.

(doi: 10.1038/ngeo1450)

(Nature Geoscience, 16.04.2012 – NPO)

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