Das Aussterben der Dinosaurier verlief viel weniger einheitlich als bisher angenommen: Einige Gruppen pflanzenfressender Riesenechsen erlebten bereits Millionen Jahre vor dem katastrophalen Ende der Kreidezeit ihren Niedergang. Zu ihnen gehörten der gehörnte Triceratops und seine Verwandten, aber auch viele Entenschnabelsaurier. Andere Dinosauriergruppen, wie die Tyrannosaurier oder die langhalsigen Sauropoden, legten dagegen noch zu. Das hat ein Team deutscher und US-amerikanischer Forscher herausgefunden. Das Ergebnis zeige, dass die Entwicklung der Dinosaurier vor rund 80 bis 65 Millionen Jahren komplexer war als gedacht. Sie seien weder alle auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung vernichtet worden, noch sei das Massenaussterben der Endpunkt eines langsamen Niedergangs aller Dinosaurier gewesen. Das berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.
„Wir Menschen denken oft von den Dinosauriern als monolithischer Einheit, aber die Dinosaurier waren extrem vielfältig“, sagt Richard Butler von der Ludwig-Maximilians-Universität München, einer der Autoren der Studie. Es habe hunderte von Arten während der späten Kreidezeit gegeben und diese unterschieden sich gewaltig in ihrer Größe, Ernährung und Form.
Seit Jahren ist umstritten, ob die Dinosaurier in ihrer Blütezeit ausstarben oder aber allmählich, erst am Ende eines Millionen Jahre dauernden Dahinschwindens. Die Fossilfunde sind lückenhaft und in bestimmten Gegenden und von bestimmten Arten werden mehr Relikte gefunden als von anderen. Das mache die Einschätzung der tatsächlichen Vielfalt der Riesenechsen schwer. „Wir wollten daher über das einfache Artenzählen hinausgehen“, sagt Erstautor Steve Brusatte vom American Museum of Natural History in New York.
Unterschiede im Körperbau als Indiz für Vielfalt
Für ihre Studie ermittelten die Forscher die Vielfalt der Dinosaurier nicht wie üblich daran, wie häufig Fossilien verschiedener Arten gefunden wurden. Stattdessen verglichen sie, wie stark sich verschiedene Fossilien innerhalb der sieben großen Gruppen der Dinosaurier voneinander unterschieden. Gab es viele Differenzen im Körperbau, werteten die Paläontologen dies als Hinweis auf eine große ökologische Vielfalt innerhalb dieser Gruppe.
Die Auswertung ergab, dass kleinere und mittlere Pflanzenfresser in den letzten zwölf Millionen Jahren vor dem Ende der Kreidezeit noch an Formenvielfalt zunahmen. Auch Fleischfresser wie die Tyrannosaurier und die kleineren Coelurosaurier entwickelten sich weiter. Die Ceratopsiden, eine Gruppe massiger Pflanzenfresser mit spezialisiertem Gebiss und großen Kopfschilden, zeige dagegen einen deutlichen Niedergang, sagen die Forscher. Die noch größeren pflanzenfressenden Sauropoden seien dagegen relativ stabil geblieben.
Regionale Unterschiede stellten die Forscher dagegen bei den auch als Entenschnabel-Dinosauriern bezeichneten Hadrosauriern fest: Sie verarmten in Nordamerika, nahmen in Asien aber noch an Formenvielfalt zu. „Es gab damals keinen universellen Trend in der Vielfalt der Dinosaurier“, konstatieren die Wissenschaftler. Stattdessen müsse man die verschiedenen Gruppen und Regionen getrennt betrachten. (doi: 10.1038/ncomms1815)
(Nature Communications, 02.05.2012 – NPO)