Seine DNA ist entschlüsselt, Proben aus Magen und Darm geben Aufschluss über sein letztes Mahl. Seine gewaltsamen Todesumstände scheinen geklärt. Unmöglich war es der Wissenschaft allerdings bislang, Blutreste an der 5.000 Jahre alten Gletschermumie Ötzi nachzuweisen. Untersuchungen der Aorta hatten keine Ergebnisse gebracht. Einem Forscherteam aus Italien und Deutschland ist nun mit nanotechnologischem Instrumentarium der Nachweis von roten Blutkörperchen an Ötzis Wunden und damit der älteste Blutnachweis überhaupt gelungen.
„Es gab bislang keine Erkenntnisse darüber, wie lange Blut erhalten bleibt – geschweige denn wie menschliche Blutkörperchen aus der Kupferzeit aussehen“, erklärt Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumien und den Iceman der Europäischen Akademie Bozen (EURAC) den Ausgangspunkt der
Untersuchungen, die er gemeinsam mit Marek Janko und Robert Stark, beide Materialwissenschaftler am Center of Smart Interfaces der TU Darmsadt, durchgeführt hat. Auch in der modernen Gerichtsmedizin sei es bisher fast nicht möglich, bei Tatortuntersuchungen das exakte Alter einer Blutspur zu bestimmen.
Suche nach Blutresten per Rasterkraftmikroskop
Die von Zink, Janko und Stark an Ötzis Blut getesteten nanotechnologischen Methoden, mit der sie die Mikrostruktur von Blutkörperchen und kleinsten Blutgerinnseln analysieren, brachten jedoch einen Durchbruch. Das Forscherteam hatte dünne Gewebeschnitte aus Ötzis Pfeileinschuss-Wunde am Rücken und aus einer Schnittwunde an der rechten Hand mit einem Rasterkraftmikroskop untersucht. Das nanotechnologische Gerät tastet mit einer feinen Spitze die Oberfläche der Gewebeproben ab. Die jeweilige Ablenkung der Spitze, wenn diese über die Oberfläche fährt, wird mit Sensoren gemessen und Zeile für Zeile, Punkt für Punkt aufgezeichnet, so
dass ein dreidimensionales digitales Abbild der Oberfläche entsteht.
Klassische Form verrät rote Blutkörperchen
Zum Vorschein kam das Bild von roten Blutkörperchen mit der klassischen „Doughnut-Form“ – der gleichen Form, wie sie bei gesunden Menschen unserer Zeit vorliegt. „Um hundertprozentig sicher zu gehen, dass es sich nicht um Pollen, Bakterien oder einen Negativ-Abdruck eines Blutkörperchens,
sondern um das Blutkörperchen selbst handelt, haben wir dann noch eine zweite Untersuchungsmethode angewandt, die so genannte Raman- Spektroskopie“, berichten die Forscher. Die Raman-Spektroskopie bestrahlt die Gewebeproben mit intensivem Licht, wodurch sich mittels eines Streulichtspektrums unterschiedliche Moleküle identifizieren lassen. Auch die daraus gewonnenen Bilder stimmten mit modernen Proben menschlichen Bluts überein, so die Wissenschaftler.
Bei der Untersuchung der Pfeileinschuss-Wunde ist das Forscherteam zudem auf Fibrin gestoßen, ein Protein, das die Blutgerinnung steuert. „Da Fibrin bei frischen Wunden auftritt und sich anschließend wieder abbaut, untermauert dieser Fund die These, dass Ötzi direkt im Anschluss an seine Verletzung durch den Pfeil gestorben ist und nicht erst Tage danach, wie zwischenzeitlich einmal vermutet worden war.“, erklärt Zink. Die Forschungsergebnisse hat das Wissenschaftlerteam im „Journal of the Royal Society Interface“ publiziert.
(Europäische Akademie Bozen – European Academy Bozen/Bolzano, 02.05.2012 – NPO)