Ein kleiner Krebs der tropischen Meere erweist sich als Meister der Panzerung: Ein Schlag mit seinen zu Schmetterkeulen umgebauten Fangbeinen lässt selbst Glasscheiben bersten. Die extrem harte Schutzschicht der Keulen aber hält selbst dem heftigsten Aufprall stand. Warum das so ist, hat ein internationales Forscherteam herausgefunden: Die Keulen bestehen aus einem komplexen, dreischichtigen Material. Erst die Kombination aller drei Schichten macht die Panzerung hart, schützt sie aber gleichzeitig vor Rissen und Brüchen. Die Struktur dieses biologischen Schutzpanzers sei dadurch speziell daran angepasst, Hochgeschwindigkeitsschläge auszuhalten. Ihr Aufbau gebe wertvolle Hinweise, wie man dünnere und widerstandsfähigere Schutzkleidung und Panzermaterialien entwickeln könnte, berichten die Forscher im Fachmagazin „Science“.
Der etwa handgroße Fangschreckenkrebs Odontodactylus scyllarus lebt in den Korallenriffen des tropischen Pazifiks. Um seine Beute zu erlegen, hat dieser Krebs eine spezielle Strategie entwickelt: Er erschlägt sie. Nähert sich ihm ein kleiner Fisch oder ein anderer Krebs oder sichtet er eine potenziell schmackhafte Muschel, schleudert Odontodactylus explosionsartig seine verdickten Keulen vor. Schneller als die Faust eines Boxers treffen sie auf die Beute und durchschlagen selbst dicke Panzer und Schalen.
„Diese formidablen Strukturen erreichen Beschleunigungen von bis zu 10.400 g und Geschwindigkeiten von 23 Meter pro Sekunde“, beschreiben James Weaver von der Harvard University im US-amerikanischen Cambridge und seine Kollegen die Wucht des Schlages. Mit der Einheit g bezeichnen Wissenschaftler die Belastung, die ein Körper bei einer Beschleunigung erfährt. Zum Vergleich: Astronauten sind in einer startenden Raumkapsel nur etwa drei bis sechs g ausgesetzt.
Mineralkristalle und organische Fasern kombiniert
Das Strukturgeheimnis der Schmetterkeulen haben die Forscher mit Hilfe von Elektronenmikroskopie, Röntgenstrukturanalyse und Modellrechnungen aufgeklärt. Wie sie berichten, ist die äußerste Panzerschicht der Keulen nur so dünn wie ein menschliches Haar, aber extrem hart. Sie besteht aus speziell ausgerichteten Kristallen des Minerals Hydroxyapatit, das auch unseren Zähnen ihre Festigkeit verleiht.
„Zusätzlich zu dieser ersten Schutzschicht hat die Keule aber noch weitere Mechanismen gegen ein katastrophales Versagen“, erklären die Forscher. Denn sollte der Panzer doch einmal Risse bekommen, verhindert die nächste Schicht, dass sich Schäden weiter ausbreiten: In ihr zwingen spiralig gewundene Fasern aus dem organischen Material Chitosan die Risse dazu, ständig ihre Richtung zu ändern. Dadurch wachsen sie nicht weiter. Als dritte Schicht folgt ein sehr viel elastischerer, kaum mineralisierter Bereich. Sie ist sehr scharf gegen die beiden äußeren Schichten abgegrenzt und trägt ebenfalls dazu bei, Risse abzulenken.
Die Kombination von harten und weicheren Schichten zur Panzerung sei nichts grundsätzlich Neues, schreibt Elizabeth Tanner von der University of Glasgow in einem begleitenden Kommentar. Aber die spezifische Struktur der Schmetterkeule von Odontodactylus scyllarus mache diese härter als jedes bekannte synthetische Verbundmaterial. Sie könne daher wertvolle Anregungen geben, wie sich bestehende Panzermaterialien deutlich verbessern ließen. (doi: 10.1126/science.1218764)
(Science, 08.06.2012 – NPO)