Es gilt als das „Gottesteilchen“ und fast schon als Gral der Teilchenphysik: das Higgs-Boson. Es bildet einen fundamentalen Baustein unseres heutigen physikalischen Weltbilds – und jetzt haben Forscher im Teilchenbeschleuniger LHC am CERN erstmals handfeste Belege für seine Existenz entdeckt. „Der Nachweis des Higgs-Bosons wäre die Antwort auf eine der größten Fragen der Physik“, hatte Guido Altarelli, theoretischer Physiker am Forschungszentrum CERN bei Genf noch vor wenigen Monaten kommentiert. Jetzt könnte genau diese Frage so gut wie beantwortet sein. Denn genau dort, wo man es erwartete, bei einer Masse von 125 Gigaelektroenvolt, haben die Physiker am LHC nun ein neues Elementarteilchen entdeckt. Es spricht viele dafür, dass es sich tatsächlich um das seit Jahrzehnten gesuchte Higgs-Boson handelt.
Das so schwer zu fassende Teilchen gilt als der Urheber für eine der Grundeigenschaften aller Dinge: der Masse. Ohne sie wäre das Universum ein völlig anderer Ort: Es gäbe keine Atome und keine normale Materie. Denn die Masse erst sorgt dafür, dass die Grundbausteine der Materie zusammenhalten und miteinander wechselwirken. Lange Zeit aber konnte das Standardmodell der Teilchenphysik – und damit die Basis unseres physikalischen Weltbilds – nicht erklären, woher die Elementarteilchen diese wichtige Eigenschaft haben.
Masse als ein Klumpen im Feld
Erst Mitte der 1960er Jahre entwickelten mehrere Physiker, darunter der Brite Peter Higgs, den Higgs-Mechanismus, eine Theorie, die dieses Manko des Standardmodells beseitigte. Überall im Universum existiert demnach ein sogenanntes Higgs-Feld. Teilchen treten mit diesem unsichtbaren Feld in Wechselwirkung, dadurch bildet es eine Art Klumpen um das Partikel. Dieser Klumpen verleiht ihm seine Masse. „Wenn es diesen Higgs-Mechanismus nicht gäbe, hätten wir keine Substanz, wir würden uns einfach auflösen“, erklärt Joseph Incandela, Sprecher des CMS-Experiments am Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) des CERN.
In einer bekannten Analogie vergleicht der britische Physiker David Miller das Higgs-Feld mit einer Cocktail-Party. Betritt eine bedeutende Persönlichkeit, beispielsweise ein bekannter Politiker, den Raum, sammelt sich schnell eine Traube anderer Gäste um ihn. Der Politiker kann sich vor lauter Menschen kaum mehr vorwärtsbewegen – ähnlich einem Teilchen mit hoher Masse, das nur mit viel Energie beschleunigt werden kann.