Und er bewegt sich doch: Auch der Mars könnte langsam wandernde Kontinentalplatten besitzen – er wäre damit nach der Erde der zweite Planet des Sonnensystems mit einer solchen Plattentektonik. Hinweise darauf hat ein US-amerikanischer Geologe bei der Analyse von mehr als hundert hochauflösenden Satellitenaufnahmen gefunden. Demnach müssen sich die beiden Seitenwände der Valles Marineris, einem gewaltigen Schluchtensystem des Mars, im Laufe von Millionen Jahren um rund 150 Kilometer gegeneinander verschoben haben. Das erkenne man unter anderem daran, dass die Ränder alter Einschlagskrater einander nicht mehr gegenüberliegen, berichtet An Yin von der University of California in Los Angeles im Fachmagazin „Lithosphere“.
Nach Ansicht des Forschers könnte der gewaltige Grabenbruch heute noch aktiv sein und sogar Erdbeben auf dem Mars auslösen. Allerdings sei die Bewegung des Untergrunds sehr viel langsamer als die irdische Plattentektonik. Vermutlich ruhe das System für lange Zeit und wache nur alle paar Millionen Jahre mal auf.
Im Gegensatz zur Erde, auf der sich sieben größere und zahlreiche kleinere Bruchstücke der Erdkruste gegeneinander bewegen, besitzt der Mars offenbar nur zwei tektonische Platten. „Der Mars ist in einem primitiven Stadium der Plattentektonik“, erklärt Yin. Weil der Planet kleiner sei als die Erde und weniger Hitze in seinem Inneren gespeichert habe, stehe auch weniger Energie für die Bewegung der Platten zur Verfügung. Auf der Erde treiben auf- und absteigende Strömungen im glutflüssigen Gestein des Erdinneren die Drift der Kontinente an. Wie Eisschollen auf dem Meer werden sie von diesen Strömungen mitgezogen.
Hinweise in Aufnahmen des marsianischen Grand Canyon
Für seine Studie hatte der Forscher mehr als hundert hochauflösende Aufnahmen des südlichen Teils der Valles Marineris ausgewertet, die verschiedene Marssonden in den letzten Jahren geliefert hatten. Der große Graben des Roten Planeten ist insgesamt mehr als 4.000 Kilometer lang und bis zu sieben Kilometer tief. Er gilt als das größte Grabenbruchsystem des Sonnensystems und wird oft auch als Grand Canyon des Mars bezeichnet. Lange Zeit vermuteten Forscher, die gewaltige Schlucht sei vor Milliarden Jahren durch einen Bruch in der sich abkühlenden Kruste des Planeten entstanden.
„Als ich die Aufnahmen vom Mars studierte, glichen viele der Strukturen den aktiven Verwerfungssystemen, die ich vom Himalaya und aus Kalifornien kannte“, erklärt Yin. So seien der Graben und seine Seitenränder in Ost-West-Richtung gegeneinander verschoben. Das passe nicht zu der Vorstellung, dass der Untergrund einfach nur aufgeplatzt sei. Stattdessen gleiche es eher einer Plattengrenze ähnlich der am Toten Meer auf der Erde. „Die Kruste des Mars ist offensichtlich gebrochen und bewegt sich horizontal“, erklärt der Geologe. Das Ausmaß der Verschiebung – 150 Kilometer – sei etwa halb so groß wie an der San Andreas Verwerfung in Kalifornien. An dieser Nahtstelle der Erde driftet die Pazifische an der Nordamerikanischen Erdplatte vorbei und löst dabei immer wieder schwere Erdbeben aus. Wenn man aber berücksichtige, dass der Mars kleiner sei als die Erde, seien beide Verwerfungen durchaus vergleichbar.
Zwei wandernde Platten erkennbar
Der Geologe hat zwei Kontinentalplatten beiderseits des marsianischen Grand Canyon identifiziert, die er Valles Marineris Nord und Süd getauft hat. Hinweise auf weitere Platten sehe er bisher nicht. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch in anderen Regionen des Mars noch tektonische Platten gibt, ist sehr sehr gering“, sagt Yin. Denn außer dem Valles Marineris gebe es keine weiteren eindeutigen Gräben oder Verwerfungszonen.
Der Forscher hält seine Ergebnisse für sehr verlässlich, räumt aber ein, dass noch viele Fragen offen bleiben. „Ich verstehe noch nicht so ganz, warum sich die Platten in diesem Ausmaß bewegen und in welcher Geschwindigkeit sie dies tun“, erklärt Yin. Die Wanderungsrate müsse deutlich langsamer sein als auf der Erde. Möglicherweise besitze der Rote Planet eine andere Form der Plattentektonik als diese. (doi:10.1130/L192.1)
(Lithosphere, 14.08.2012 – NPO)