Ob Pferde im eleganten Passgang traben können oder nicht, hängt von einem einzigen Gen ab. Das fand ein internationales Forscherteam heraus, als sie das Erbgut von Isländern analysierten. Denn die meisten Pferde dieser Art beherrschen die Gangart, bei der parallel zwei Beine der gleichen Seite bewegt werden – einige aber auch nicht. Die Genanalyse zeigte, dass die Fähigkeit für den Passgang von der Mutation eines bestimmten Gens abhängt, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Unabhängig davon entdeckte eine andere Forschergruppe, dass genau dieses Gen auch in Mäusen die Bildung von Nervenzellen an der Wirbelsäule auslöst, die den Bewegungsapparat mitsteuern. Mäuse-Neugeborene ohne dieses Gen konnten ihre Beine kaum koordinieren. Da das Gen so weit bekannt in allen Wirbeltieren vorhanden ist, sei wahrscheinlich, dass es auch in Menschen einen zentrale Rolle in der Koordination von Bewegungen einnimmt, sagen die Wissenschaftler.
Jedes Pferd kann Gehen, Traben oder Galoppieren. Doch einige Gangarten, wie den eleganten Passgang, bei dem das Pferd jeweils gleichzeitig mit seinen zwei rechten oder linken Beinen fortschreitet, beherrscht nicht jedes Tier. Züchtungsversuche hätten bereits darauf hingewiesen, dass die Fähigkeiten für Gangarten vererbbar sind, erklären Lisa Andersson von der Swedish University of Agricultural Sciences in Uppsala und ihre Kollegen.
Um die Rolle der Gene bei den Bewegungsfähigkeiten der Isländer-Pferde zu überprüfen, analysierten die Wissenschaftler das Erbgut von 70 Tieren, von denen nur 40 den den Passgang beherrschten. „Wir erwarteten eine starke genetische Komponente, waren aber fast schockiert, als wir entdeckten, dass ein einziges Gen Passgänger von Nicht-Passgängern unterscheidet“, sagt Andersson. Genau genommen sei sogar eine einzige Mutation auf dem Gen namens DMRT3 ausschlaggebend.
Forscher entwickeln Test für Gen-Mutation
Aufgrund ihrer Erkenntnisse entwickelten die Wissenschaftler einen Gentest für die Mutation. An verschiedenen Pferderassen zeigte dieser, dass die Genvariante generell in Pferden weit verbreitet ist, die besondere Gangarten beherrschen, sagen die Forscher. Zudem fanden sie die Mutation häufig bei jenen Tieren, die für Trabrennen gezüchtet wurden. Dies verlange ebenfalls besondere Koordinationsfähigkeiten der Beine ab, da das Pferd möglichst schnell sein muss, ohne dabei in den Galopp zu verfallen, erklären die Forscher.
Das Gen bestimme aber nicht nur die Koordinationsfähigkeiten von Pferden, schreiben die Wissenschaftler. Parallel zu den Pferdestudien entdeckte eine andere Forschergruppe, dass das genau dieses Gen in Mäusen die Bildung von bisher unbekannten Nervenzellen an der Wirbelsäule auslöst. Mäuse-Neugeborene ohne dieses Gen konnten zudem ihre Beine kaum koordinieren und lernten erst später als gewöhnlich laufen. Dabei sei bereits bekannt gewesen, dass die Vernetzung der Nerven im Wirbelsäulenbereich für die Koordination der Gliedmaßen ausschlaggebend ist, erklären Klas Kullander von der Uppsala University und seine Kollegen. Durch weitere Untersuchungen an Mäusen fanden sie heraus, dass die speziellen Nervenzellen des DMRT3-Gens offensichtlich die linke mit der rechten Seite des Bewegungsapparats verbinden.
„Die Entdeckung der Gen-Mutation zeige, dass Erbgutanalysen von domestizierten Tieren und ihren speziellen Züchtungslinien grundlegende Erkenntnisse über die Funktion bestimmter Gene hervorbringen können“, sagt Andersson. So sei das Gen, soweit bekannt, in allen Wirbeltieren vorhanden. Es speile also höchstwahrscheinlich auch im Menschen eine zentrale Rolle bei der Koordinationsfähigkeit ihrer Gliedmaßen einnimmt. (doi: 10.1038/nature11399)
(Nature, 30.08.2012 – INR)