Neurobiologie

Placebo-Effekt kann auch durch unbewusste Signale ausgelöst werden

Unterschwellige Botschaften beeinflussen im Experiment die Schmerzwahrnehmung

Der Placebo-Effekt funktioniert auch unterschwellig: Selbst unbewusst wahrgenommene Signale und Informationen können dazu führen, dass eine eigentlich wirkungslose Behandlung anschlägt. Das belegt das Experiment eines internationalen Forscherteams. Dabei hatten die Versuchsteilnehmer gelernt, ein bestimmtes Gesicht auf dem Bildschirm mit einem schmerzhaften, ein anderes mit einem harmlosen Hitzereiz zu verbinden. Im eigentlichen Test erschienen die Gesichter jeweils nur so kurz, dass die Probanden sie nicht bewusst wahrnehmen konnten. Dennoch werteten diese den Hitzereiz je nach Gesicht mal als schmerzhaft, mal als angenehm – obwohl die Temperatur der Hitzesonde die ganze Zeit die gleiche war. Das zeige, dass der Placebo-Effekt die Schmerzwahrnehmung auch dann beeinflussen könne, wenn der Auslöser zu schnell oder unauffällig sei, um bewusst wahrgenommen zu werden, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

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„Diese Erkenntnis öffnet eine ganz neue Tür zum Verständnis der Placebos und der Rituale der Medizin“, sagt Ko-Autor Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School in Boston. Denn der neu entdeckte Mechanismus funktioniere automatisch und schnell und sei unabhängig von bewussten Überlegungen und Bewertungen. Diese Erkenntnis sei sowohl für Ärzte und Patienten als auch für klinische Studien wichtig. „Der Patient registriert offenbar auch subtile Botschaften, beispielsweise solche, die der Mediziner aussendet, ohne sich dessen bewusst zu sein“, sagen die Forscher. Das könnte erklären, warum selbst eine unausgesprochene Erwartung des Arztes an ein Medikament oder eine Behandlung schon beeinflussen kann, wie dieses beim Patienten wirkt.

Effekt ohne Wirkstoff

Ein Placebo-Effekt tritt dann auf, wenn es einem Patienten besser geht, obwohl er nur eine Scheinbehandlung oder ein Scheinmedikament erhalten hat, wie beispielsweise eine Tablette ohne medizinische Inhaltsstoffe. Aber auch das Umgekehrte kommt vor, der sogenannte Nocebo-Effekt: Dabei löst ein wirkstofffreies Präparat Nebenwirkungen oder eine Verschlechterung des Zustands aus. „Gängiger Theorie nach beruht diese Wirkung darauf, dass der Patient bestimmte Erwartungen hat oder aber auf bestimmte Signale reagiert“, erklären Karin Jensen von der Harvard Medical School in Boston und ihre Kollegen. Solche Signale können die Erklärungen des Arztes sein, aber auch das Schlucken einer Pille.

Bisher sei man immer davon ausgegangen, dass die Auslöser dieser Effekte bewusst wahrgenommen werden müssen. Von vielen Verhaltensreaktionen wisse man jedoch inzwischen, dass auch unterschwellige Reize sie beeinflussen können. „Es ist aber nie untersucht worden, ob Placebo- oder Nocebo-Reaktion auch durch unterschwellige, nicht bis ans Großhirn weitergereichte Reize ausgelöst werden kann“ schreiben die Forscher.

Hitzesonde am Arm als Schmerzreiz

Am Experiment nahmen 40 junge, gesunde Frauen und Männer teil. Zunächst lernten sie in einem Trainingsdurchlauf, ein bestimmtes Gesicht auf einem Bildschirm mit einem schmerzhaften Hitzereiz zu verbinden, ein anderes Gesicht mit einem nicht schmerzhaften. Je nach Bild heizte sich eine Thermosonde an ihrem linken Unterarm stärker oder weniger stark auf. Nach jedem Bild sollten die Teilnehmer auf einer Skala von 0 bis 100 angeben, wie stark der Schmerz an ihrem Arm war.

Beim Test wurden wieder die gleichen Gesichter eingeblendet, nur dass dabei ohne Wissen der Probanden jedes Mal der gleiche Hitzereiz ausgeübt wurde. Im ersten Testteil erschienen die Gesichter jeweils 100 Millisekunden lang – lang genug, um bewusst erkannt zu werden. Im zweiten Durchgang dagegen wurde jedes Gesicht nur 12 Millisekunden lang eingeblendet und die restliche Zeit von einer neutralen Maske abgedeckt. „Keiner der Probanden konnte die Gesichter dabei bewusst erkennen und unterscheiden“, berichten die Forscher. Dennoch hätten die Teilnehmer in beiden Testteilen gleichermaßen den Hitzereiz immer dann als schmerzhaft bewertet, wenn das zuvor mit unangenehmer Hitze verknüpfte Bild eingeblendet wurde. (doi: 10.1073/pnas.1202056109)

(Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 11.09.2012 – NPO)

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