Geowissen

Xenon musste draußen bleiben

Geowissenschaftler finden eine Erklärung für den Mangel des Edelgases Xenon auf der Erde

Erdmantel. © NASA

Forscher haben eine Erklärung dafür gefunden, warum das Edelgas Xenon auf der Erde so viel seltener ist als andere Edelgase: In der Frühzeit der Erde wurden Argon und Krypton von einem Mineral des Erdmantels eingefangen und so im Gestein konserviert. Dadurch blieben sie erhalten selbst als die erste Gashülle der Erde verschwand. Xenon dagegen war zu groß für die Einlagerung und wurde daher mit der Uratmosphäre weggetragen. Diese Lösung für ein altes Rätsel der Geowissencshaften präsentierten die Forscher im Fachmagazin „Nature“

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Weshalb kommen die Edelgase Argon und Xenon auf der Erde in so ungleichen Mengen vor? Während Argon nach Stickstoff und Sauerstoff das dritthäufigste Element in der Lufthülle der Erde ist, finden sich darin nur sehr geringe Spuren von Xenon. Dies ist angesichts von auf der Erde gefundenen Meteoriten umso rätselhafter. Diese kohlenstoffhaltigen Chondriten, die wie die Erde vor rund 4,5 Milliarden Jahren entstanden sind gelten als steinerne Zeugen aus der Frühzeit des Sonnensystems. Sie weisen aber einen erheblich höheren Xenongehalt als unser Planet auf. Eine Lösung dieses in der Forschung seit langem diskutierten Rätsels haben jetzt Hans Keppler und Svyatoslav Shcheka am Bayerischen Geoinstitut – einem Forschungszentrum der Universität Bayreuth – entwickelt.

Geschluckt vom Perowskit im Erdmantel?

Ausgangspunkt der Bayreuther Forschungsarbeiten war die Frage, ob Edelgase in größeren Mengen im unteren Erdmantel gebunden sein könnten – und ob sich Xenon in dieser Hinsicht von den anderern Edelgasen unterscheidet. Der untere Erdmantel befindet sich in einer Tiefe zwischen 660 und 2.900 Kilometern, also direkt oberhalb des Erdkerns. Dieser Bereich besteht vorwiegend aus dem Mineral Magnesiumsilikat-Perowskit, das mehr als die Hälfte der Erdmasse ausmacht. Normalerweise würde man erwarten, dass Edelgase keine chemischen Bindungen eingehen und daher auch nicht in die Kristallstruktur von Mineralen eingebaut werden. Aufgrund der besonderen Eigenschaften von Magnesiumsilikat-Perowskit vermuteten Shcheka und Keppler jedoch, dass sich dieses Mineral anders verhalten könnte.

Mit Hilfe der Forschungstechnologien im Bayerischen Geoinstitut konnten Keppler und Shcheka die Druck- und Temperaturverhältnisse des unteren Erdmantels simulieren. In einer Hochleistungspresse erzeugten sie einen Druck von 250.000 Atmosphären und eine Temperatur von weit über 1.600 Grad Celsius. Zum Vergleich: Würde man den Pariser Eiffelturm auf einer Fingerspitze balancieren, entspräche das „nur“ einem Druck von 100.000 Atmosphären. Unter diesen extremen Bedingungen brachten die Forscher dann Magnesiumsilikat-Perowskit mit verschiedenen Edelgasen in Kontakt.

Viele dieser Experimente endeten in heftigen Explosionen. Eine Handvoll von erfolgreichen Experimenten zeigten jedoch ein sehr überraschendes Ergebnis: Unter dem extremen Hochdruck hat das Magnesiumsilikat-Perowskit keine Schwierigkeiten, ein Prozent Atome des vergleichsweise leichten Edelgases Argon einzulagern. Auch Krypton, ein weiteres Edelgas, ist mit einem ungefähr gleichen Anteil darin eingelagert. Ganz anders jedoch verhält es sich mit Xenon: Es ist nur zu 0,03 Prozent in dem unter Hochdruck angereicherten Mineral enthalten. Die Ursache dafür vermuten die Bayreuther Forscher in der Größe der Atome: Argon-Atome haben eine fast ideale Größe, um Sauerstoff-Fehlstellen im Magnesiumsilikat-Perowskit zu besetzen. Xenon-Atome hingegen sind wahrscheinlich schon zu groß, um sich in die winzigen Freiräume des Minerals hineinpressen zu lassen.

Erklärung für die „Xenon-Lücke“

Diese Forschungsergebnisse bieten nun den Schlüssel, um die rätselhafte „Xenon- Lücke“ in der Lufthülle der Erde zu erklären. Keppler und Shcheka knüpfen dabei an Erkenntnisse zur frühesten Erdgeschichte an, die in der Forschung bereits als gesichert gelten: Die noch junge Erde enthielt einen riesigen Magmaozean, in dem durch Kristallisationsprozesse große Mengen an Magnesiumsilikat-Perowskit entstanden. Darin lagerten sich, wie die Simulationsexperimente gezeigt haben, unter extrem hohen Drücken vergleichsweise große Mengen an Argon und Krypton ein. Xenon jedoch musste draußen bleiben.

Der mit Edelgasen angereicherte Magnesiumsilikat-Perowskit bildete, als sich die Erde weiter abkühlte, den Hauptbestandteil des unteren Erdmantels. Zugleich verlor die junge Erde durch massive Meteoreinschläge die atmosphärische Hülle, von der sie zunächst noch umgeben war. Erst im weiteren Verlauf der Erdgeschichte entwickelte sich eine neue Erdatmosphäre. Dabei strömten große Mengen von Gasen aus dem Erdinneren nach oben – darunter auch das Argon, das infolge von Umwälzungsprozessen im Erdmantel an die Oberfläche gelangte. Doch nur geringe Spuren von Xenon konnten in die neue Lufthülle entweichen, denn mehr war im Erdinneren nicht vorhanden. Die Zusammensetzung der heutigen Atemluft enthält also immer noch Spuren der Prozesse, die vor 4,5 Milliarden Jahren abliefen, als die Erde vollständig geschmolzen war.

Die Forschungsarbeiten sind auch für die Erforschung des Mars von großer Relevanz. Denn auch die Oberfläche auf dem Nachbarplaneten weist einen eigentümlichen Mangel an Xenon auf. Im Lichte der neuen Erkenntnisse ist diese „Xenon-Lücke“ ein Indiz dafür, dass es in der Frühgeschichte des Mars einen ähnlichen Magmaozean und ähnliche Kristallisationsprozesse wie auf der Erde gegeben haben könnte. (Nature, 2012; doi:10.1038/nature11506)

(Universität Bayreuth, 19.10.2012 – NPO)

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