Herpes wird man nicht los: Ist man einmal infiziert, blühen die lästigen Lippenbläschen immer wieder auf. Warum das so ist und welche Faktoren eine latente Herpes-Infektion reaktivieren, haben US-amerikanische Forscher nun herausgefunden. In Versuchen mit Mäusen stellten sie fest, dass das Virus immer dann die Oberhand gewinnt, wenn das Immunsystem anderweitig beschäftigt ist – weil es beispielsweise gerade eine Bakterieninfektion abwehrt. Eine bestimmte Sorte von Abwehrzellen, die sogenannten T-Gedächtniszellen, halte normalerweise die Herpesviren in Schach, werde aber durch die Zweitinfektion reduziert. Das erlaube es den Viren, sich ungehemmt zu vermehren und die Lippenbläschen oder eine andere Entzündung im Körper auszulösen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Journal of Leukocyte Biology“.
„Weil sich fast alle Menschen in ihrem Leben mit einem oder mehreren Herpes-Arten anstecken, sind diese Ergebnisse wichtig“, sagt Studienleiter Charles H. Cook von der Ohio State University in Columbus. Denn wenn man besser verstehe, wie der Körper diese latenten viralen Infektionen kontrolliere, könne man auch Therapien entwickeln, die das Aufflammen der Herpes-Infektion gezielt verhindern.
Herpesviren gelangen meist über die Schleimhäute des Mundes oder der Genitalien in den Körper. Dort nisten sie sich in den Nervenenden der Haut und den weiterführenden Nervenfasern ein – zunächst meist ohne dass der Betroffene etwas davon merkt. Dem Immunsystem gelingt es in der Regel, das Virus soweit zu kontrollieren, dass es sich nicht ungezügelt vermehrt. Beseitigen kann es den Erreger allerdings nicht – einmal mit einem Herpesvirus angesteckt, bleibt dieser lebenslang im Körper. Bei knapp 40 Prozent der Bevölkerung treten zudem mindestens einmal im Leben die typischen entzündlichen Bläschen an Lippen oder Genitalien auf, das ergab unlängst eine Studie französischer Forscher. In diesen Episoden kann sich das Virus kurzzeitig wieder stark vermehren und so die Entzündung auslösen. „Der Mechanismus, der diese Reaktivierung auslöst, war aber bisher unklar“, erklären Cook und seine Kollegen.
Herpes-Mäuse mit Bakterien infiziert
Für ihre Studie untersuchten die Forscher Mäuse, die mit dem Zytomegalie-Virus (CMV) infiziert waren. Dieses Herpesvirus kann beim Menschen schwere Erkrankungen und Fehlbildungen bei Ungeborenen verursachen, wenn die Mutter es in der Schwangerschaft auf ihr Kind überträgt. Die Wissenschaftler steckten die CMV-infizierten Mäuse zusätzlich mit einem krankmachenden Bakterium an und beobachteten dabei, wie sich die Menge bestimmter Abwehrzellen im Blut der Tiere änderte.
Während der akuten Bakterieninfektion sei die Zahl der T-Gedächtniszellen signifikant zurückgegangen, berichten die Forscher. Möglicherweise um Ressourcen zu sparen, die anderswo dringender benötigt werden. Gedächtniszellen merken sich die Eigenschaften eingedrungener Erreger und sorgen so dafür, dass spezifische, auf diese Erreger passende Abwehrmoleküle produziert werden. Ihr Rückgang habe bei den Herpesviren quasi die Bremsen gelöst und die zuvor ruhende Virenpopulation reaktiviert, sagen die Wissenschaftler. Erst als sich nach bewältigter Bakterieninfektion die T-Zellen wieder vermehrten, sei auch die akute Virenaktivität wieder abgeklungen.
„Diese Studie beleuchtet, was geschieht, wenn wir gleichzeitig mit mehr als einem Erreger infiziert sind“, schreibt John Wherry, leitender Redakteur des Fachjournals in einem begleitenden Kommentar. Sie liefere damit entscheidende Einblicke darin, warum unsere Abwehr manchmal versage und auch, wie sie dann wieder Kontrolle über einen latenten Erreger zurückgewinne. Dieses Wissen helfe dabei, Therapien gegen solche Aussetzer des Immunsystems zu entwickeln, aber auch, die Übertragung von Herpes einzudämmen (doi:10.1189/jlb.1211635).
(Journal of Leukocyte Biology, 05.11.2012 – NPO)