Erst im letzten Jahr ergab eine Studie, dass Haschisch-Konsum langfristige Schäden im Gehirn von Jugendlichen verursachen kann. Ein norwegischer Forscher weist nun aber nach, dass die Wissenschaftler damals ihre Daten falsch oder doch zumindest voreilig interpretiert haben. Statt der Droge waren eher die sozialen Umstände der Probanden schuld an ihren teilweise schlechteren geistigen Leistungen, wie er im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichtet.
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Als im August 2012 die Studie von Madeline Meier von der Duke University und ihren Kollegen erschien, sorgte sie weltweit für Aufsehen. Denn die Forscher schienen endgültig stichhaltige Beweise dafür geliefert zu haben, dass Cannabis langfristige Schäden im Gehirn hinterlässt. Basis ihrer Schlussfolgerung waren die Daten der sogenannte Dunedin-Studie, einer Erhebung, bei der 1.037 Menschen von ihrer Geburt an bis zu ihrem 38. Lebensjahr regelmäßig gesundheitlich und psychologisch untersucht worden waren. Meier und ihre Kollegen hatten anhand dieser Daten den Zusammenhang zwischen dem Cannabis-Konsum der Teilnehmer und ihrem IQ mit 13 und mit 38 Jahren untersucht.
Mehr Cannabis – weniger Grips?
Bei der Auswertung der Daten zeigte sich ein scheinbar linearer Zusammenhang: Je mehr und regelmäßiger die Teilnehmer nach eigenen Angaben Haschisch geraucht hatten, desto schlechter schnitten sie in den IQ-Tests ab. Theoretisch könnten aber auch andere Umstände zu solchen kognitiven Einbußen führen. Deshalb prüften die Forscher damals sechs weitere mögliche Einflussfaktoren, darunter Alkoholismus, Abhängigkeit von harten Drogen, Schizophrenie und Tabakrauchen, aber auch die Dauer der Schulbildung. Da sich für keinen dieser Faktoren eine klare Korrelation zur Intelligenz der Teilnehmer ergab, sahen Meier und ihre Kollegen die Ursache für den IQ-Rückstand klar beim Cannabis.
Doch den entscheidendsten Faktor haben die Forscher damals offenbar schlicht übersehen: die sozialen Umstände. Das jedenfalls kritisiert Ole Rogeberg vom Ragnar Frisch Centre for Economic Research in Oslo und belegt dies nun in einer eigenen Studie. In einer Simulation geht er von einer ähnlich der Dunedin-Studie aufgebauten Population aus und rechnet vor, dass die sozialen Verhältnisse der Teilnehmer und ihrer Eltern allein bereits ausreichen, um ihr schlechteres Abschneiden bei den IQ-Tests zu erklären – und auch ihre vermehrte Cannabis-Nutzung.
Schlussfolgerungen voreilig
„Dass die sozioökonomische Umgebung von Kindern ihre Intelligenz und geistige Entwicklung ursächlich beeinflusst, haben unter anderem Adoptionsstudien bereits gezeigt“, sagt Rogeberg. Dass das Umfeld eines Menschen eine wichtige Rolle für seinen IQ spielen könne, sei nicht wirklich neu. Umgekehrt habe eine kanadische Studie, die Teilnehmer einer sozial sehr homogenen Gruppe – Angehörige der weißen Mittelschicht – untersucht hatte, keinerlei langfristigen Effekt der Cannabis-Nutzung auf den IQ festgestellt.
„Es wäre vielleicht ein wenig zu hart, die Studie von Meier et al. komplett zu diskreditieren, aber fairerweise muss man sagen, dass ihre Methodik fehlerhaft und die Schlussfolgerungen voreilig waren“, sagt Rogeberg. Denn aus den vorliegenden Daten lasse sich nicht ablesen, ob der niedrigere IQ einiger Probanden auf neurophysiologische Folgen des Cannabis-Konsums zurückgehe oder aber auf die Einflüsse der sozialen Umgebung. „Sollten die Effekte eher auf Kultur als auf Pharmakologie zurückgehen, muss dies auch bei Entscheidungen über den politischen und gesetzgeberischen Umgang mit diesem Thema berücksichtigt werden“, meint Rogeberg. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.1215678110)
(PNAS, 15.01.2013 – NPO)