Klima

Meereis: Tümpel beschleunigen Schmelze

Schmelzwasser auf dem Eis absorbiert doppelt so viel Licht und Wärme

Schmelzwassertümpel auf arktischem Meereis © Stefan Hendricks/ Alfred-Wegener-Institut

Die immer häufiger werdenden Tümpel aus Schmelzwasser auf dem arktischen Meereis treiben das Abtauen voran. Denn sie absorbieren doppelt so viel Sonnenlicht wie tümpelfreie Eisgebiete. Das haben deutsche Forscher bei einer Arktis-Expedition festgestellt. Durch diesen Effekt gelangt mehr Wärme in die Eisflächen und das Abtauen des Eises durch den Klimawandel wird noch stärker vorangetrieben, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ berichten.

Die arktische Meereisdecke ist im zurückliegenden Jahrzehnt nicht nur geschrumpft, sondern auch deutlich jünger und dünner geworden. Wo früher meterdickes, mehrjähriges Eis trieb, finden Forscher heute vor allem dünne, einjährige Schollen, die in den Sommermonaten großflächig mit Schmelzwassertümpel bedeckt sind. Diese Tümpel zählen zu den Lieblingsmotiven der Eis- und Landschaftsfotografen in der Arktis. Mal schimmern sie in einem verführerischen Karibik-Meerblau, mal liegen sie dunkel wie ein See bei Regenwetter auf der Scholle. „Ihre Farbe hängt ganz davon ab, wie dick das verbleibende Eis unter dem Tümpel ist und wie stark der darunterliegende Ozean durch dieses Eis hindurchscheinen kann. Tümpel auf dickerem Eis sind eher türkis, jene auf dünnem Eis dunkelblau bis schwarz“, sagt Marcel Nicolaus, Meereisphysiker vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

Die zunehmende Zahl der Schmelzwassertümpel auf dem Eis führen die Forscher auf die Zunahme des jungen, einjährigen Eises zurück. „Dieses hat eine glatte Oberfläche und erlaubt es dem Schmelzwasser, sich weit zu verteilen und ein Netz aus vielen einzelnen Tümpeln zu bilden“, erklärt Nicolaus. Das ältere Eis dagegen ist im Laufe der Jahre durch die ständige Schollenbewegung und unzählige Zusammenstöße zerklüftet. Auf diesem unebenen Untergrund bildeten sich viel weniger und kleinere Tümpel, die dann jedoch deutlich tiefer sind als die flachen Teiche auf dem jüngeren Eis. Aber was sind die Folgen dieser Entwicklung?

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Wie viel Licht dringt durch?

Inwieweit verändern die Tümpel und die abnehmende Eisdicke die Menge des Lichts unter dem Meereis? Immerhin stellt das Licht im Meer – wie auch an Land – die Hauptenergiequelle für die Photosynthese dar. Ohne Sonnenlicht wachsen weder Algen noch Pflanzen. „Wir wussten, dass eine Eisscholle mit einer dicken, frischen Schneeschicht zwischen 85 und 90 Prozent des Sonnenlichtes in das Weltall zurückstrahlt und nur wenig in den Ozean durchlassen würde“, erklärt Nicolaus. „Im Gegensatz dazu konnten wir davon ausgehen, dass im Sommer, wenn der Schnee auf dem Eis geschmolzen und das Meereis mit Tümpeln bedeckt ist, wesentlich mehr Licht durch das Eis hindurchdringt.“

Um herauszufinden, in welchem Maß arktisches Meereis Sonnenstrahlen passieren lässt und wie groß der Einfluss der Schmelzwassertümpel auf diese Durchlässigkeit ist, statteten die AWI-Meereisphysiker einen ferngesteuerten Tauchroboter mit Lichtsensoren und einer Kamera aus. Diesen Roboter schickten sie im Sommer 2011 während einer Arktis-Expedition des Forschungseisbrechers Polarstern an mehreren Stationen direkt unter das Eis. Das Gerät erfasste auf seinen Tauchgängen, wie viel Sonnenenergie durch das Eis drang. Und das an insgesamt 6.000 Einzelpunkten mit jeweils unterschiedlichen Eiseigenschaften.

Schematische Darstellung des Sonnenlichts über und unter Meereis. Die zunehmende Bedeckung mit (dunkleren) Schmelztümpeln erhöht den Anteil des Sonnenlichtes, das bis in den Ozean durchdringt. Hierdurch wird der (Lebens-) Raum im und unter dem Eis heller und wärmer. Es wird auch weniger Licht zurück in die Atmosphäre reflektiert. © Marcel Nicolaus,Yves Nowak/ Alfred-Wegener-Institut

Absorbiertes Licht treibt Abtauen voran

Auf diese Weise entstand ein bisher einmaliger Datensatz, dessen Ergebnisse aufhorchen lassen. „Das junge dünne Eis mit den vielen Schmelztümpeln lässt nicht nur dreimal mehr Licht passieren als das ältere“, berichtet der AWI-Forscher. „Es absorbiert auch doppelt so viel Sonnenstrahlung. Beides bedeutet im Umkehrschluss, dass dieses dünne, von Tümpeln überzogene Eis deutlich weniger Sonnenstrahlen reflektiert als das dicke Eis.“ Seine Rückstrahlquote liegt bei gerade mal 34 Prozent. Dadurch aber nimmt das junge Eis mehr Sonnenenergie und somit Wärme auf, wodurch sein Schmelzen vorangetrieben wird. Das Eis taut gewissermaßen von innen.

Eisschmelze wird sich noch beschleunigen

„Wir gehen davon aus, dass im Zuge des Klimawandels künftig mehr Sonnenlicht in den Arktischen Ozean gelangen wird – und das insbesondere auch in jenem Teil, der nach wie vor im Sommer vom Meereis bedeckt ist“, erklärt Nicolaus. Der Grund: Je größer der Anteil des einjährigen Eises an der Meereisdecke wird, desto mehr und größere Schmelztümpel werden sich bilden. Diese wiederum führen dazu, dass die Reflexionsfähigkeit des Eises sinkt, die Transmission steigt, das Eis poröser wird, mehr Sonnenstrahlung durch die Schollen dringt und zeitgleich mehr Wärme vom Eis aufgenommen wird.

„Eine Entwicklung, die das Abschmelzen der gesamten Eisfläche weiter beschleunigen wird“ , warnt der Forscher. Gleichzeitig aber werde den Lebewesen im und unter dem Eis künftig mehr Licht zur Verfügung stehen. Ob und wie diese allerdings mit der neuen Helligkeit zurechtkommen, wird gegenwärtig noch in Zusammenarbeit mit Biologen untersucht. (Geophysical Research Letters, 2012; doi:10.1029/2012GL053738)

(Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 16.01.2013 – NPO)

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