Astronomen haben nun endgültig herausgefunden, woher die kosmische Strahlung kommt, die unsern Planeten mit einer wahren Dusche geladener Teilchen überzieht. Hinweise lieferte der Überrest einer Sternenexplosion, die vor eintausend Jahren stattgefunden hat. Denn in ihm entdeckten die Forscher Anzeichen für schnelle Teilchen, die so etwas wie die Vorläufer der kosmischen Strahlung sein könnten, wie sie im Fachmagazin „Science“ berichten.
Im Jahr 1006 nach Christus leuchtete am Südhimmel ein neuer Stern auf. Das leuchtende Objekt überstrahlte damals sogar die Venus und warf nachts Schatten wie der Vollmond. Selbst am Tag beobachteten damals viele Menschen dieses Ereignis. Erst viel später identifizieren Astronomen es als Supernova, heute als SN 1006 bezeichnet, die sich im südlichen Sternbild Lupus ereignet hat. Sie fanden an dieser Stelle des Himmels eine leuchtende Schale aus expandierender Materie, die den Überrest der gewaltigen Explosion darstellt.
Supernova-Überrest im Visier
Schon seit langem vermutet man, dass solche Supernova-Überreste die Orte sind, an denen ein Teil der sogenannten kosmischen Strahlung erzeugt wird– hochenergetische Teilchen, die von außerhalb des Sonnensystems stammen und sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Die Details dieses Prozesses sind jedoch immer noch rätselhaft. Ein von Sladjana Nikolić vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg geleitetes Astronomenteam hat nun mit dem Very Large Telescope (VLT) den tausend Jahre alten Supernova-Überrest SN 1006 genauer als je zuvor unter die Lupe genommen.
Das Ziel der Forscher war es, herauszufinden, was geschieht, wenn das bei der Supernova mit hoher Geschwindigkeit herausgeschleuderte Material auf die im Vergleich dazu nahezu stillstehende interstellare Materie trifft. An dieser Stelle bildet sich eine sogenannte Schockfront aus, die sich mit hoher Geschwindigkeit ausdehnt und Ähnlichkeit mit dem Überschallknall eines Düsenflugzeugs hat. Sie könnte als kosmischer Teilchenbeschleuniger an der Erzeugung der kosmischen Strahlung beteiligt sein. Tatsächlich gelang es dem Team, erstmals Informationen zur Materie im Schock zu sammeln, und dabei nicht nur an eine Stelle der Schockfront zu vermessen, sondern eine ganze Karte der Eigenschaften des Gases und ihrer räumlichen Variationen zu erstellen. Daraus ergaben sich wichtige Hinweise auf eine mögliche Lösung des Rätsels der kosmischen Strahlung.
Schnelle Protonen in der Schockfront
Zur Überraschung der beteiligten Wissenschaftler gibt es Anzeichen für eine große Zahl von schnellen Protonen im Gas der Schockregion. Bei diesen Protonen handelt es sich noch nicht um die kosmische Strahlung selbst, sondern um Vorläuferteilchen, die anschließend durch Wechselwirkung mit der Schockfront auf die erforderlichen hohen Energien beschleunigt werden und als Teilchenstrahlung hinaus in den Raum fliegen können. „Dies ist das erste Mal, dass wir die physikalischen Prozesse in und um die Schockregion genauer untersuchen konnten“, erklärt Nikolić. „Wir haben dabei Hinweise auf die Existenz einer Region gefunden, die offenbar auf genau jene Weise erwärmt wird, wie man es erwarten würde, wenn dort Protonen existieren, welche die Energie in die Bereiche direkt vor dem Schock transportieren.“
Ko-Autor Glenn van de Ven vom Max-Planck-Institut für Astronomie fügt hinzu: „Diese neuartige Beobachtungstechnik könnte sich als Schlüssel erweisen um herauszufinden, wie Supernova-Überreste kosmische Strahlung erzeugen.“ (Science, 2013, doi:10.1126/science.1231160)
(Science / ESO, 15.02.2013 – NPO)