Physik

Antimaterie im Falltest

Experiment zeigt, wie man die Reaktion von Antiwasserstoff auf die Schwerkraft testen kann

Haben Antiteilchen die gleiche schwere Masse wie noramle Materie? © Chukman So

Was passiert, wenn man ein Objekt aus normaler Materie fallenlässt? Ganz klar: Es fällt auf den Boden. Und was passiert, wenn man das Gleiche mit Antimaterie macht? Die Antwort auf diese Frage ist bisher unbekannt. Es ist zwar wahrscheinlich, dass sich die Antiteilchen ebenfalls in Richtung Erdboden bewegen. Theoretisch könnten sie aber auch nach oben fallen und quasi entgegengesetzt auf die Schwerkraft reagieren. Wissenschaftler vom CERN und der University of Berkeley haben nun erstmals eine Möglichkeit gefunden, das zu testen –die ersten Ergebnisse sind allerdings noch eher dürftig, wie sie im Fachmagazin „Nature“ berichten.

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Nach dem Standardmodell der Physik existiert für jede Teilchensorte der normalen Materie auch sein Pendant in Form von Antimaterie. Diese gleichen einander wie Bild und Spiegelbild, haben aber – beispielsweise beim Elektron und seinem Antiteilchen Positron – die entgegengesetzte Ladung. Trifft Antimaterie auf normale Materie, kommt es zur Annihilation – beide Teilchen löschen sich gegenseitig aus und setzen dabei Energie frei. Die Eigenschaften von Antiteilchen zu untersuchen, war daher lange Zeit nicht oder nur sehr schwer möglich. Daher ist bisher auch unklar, wie sich ein solches Teilchen gegenüber der Schwerkraft verhält: Wird es angezogen wie normale Materie auch? Oder folgt es einer Art Anti-Schwerkraft und bewegt sich in genau entgegengesetzte Richtung?

Erst Ende 2010 gelang es im CERN in Genf im Rahmen des ALPHA-Projektes erstmals, einige Antiwasserstoff-Atome in einem komplexen System aus Magnetfeldern einzufangen und sie für Sekundenbruchteile dort zu halten. Ein halbes Jahr später hatte das internationale Wissenschaftlerteam das System dann soweit verfeinert, dass es einige hundert Antiwasserstoff-Atome für etwa eine Viertelstunde festhalten konnte.

Träge Masse: gleich, Reaktion auf Schwerkraft: unbekannt

Die exakt 434 Teilchen, die die Forscher aus Antiprotonen und Positronen – also Antielektronen – erzeugt hatten, bildeten auch die Basis für die aktuelle Untersuchung. Ziel war es, zu bestimmen, ob auch bei Antimaterie das schwache Äquivalenzprinzip gilt, nach dem die sogenannte schwere Masse der trägen Masse entspricht. Die schwere Masse ist dabei ein Maß dafür, wie die Gravitation auf einen Körper oder ein Teilchen einwirkt, während die träge Masse angibt, wie stark sich das Objekt einer Beschleunigung widersetzt. Bei normaler Materie sind beide Massen gleich. Ob dies bei Antimaterie auch der Fall ist, ist aber bisher unbekannt.

Zwar gilt es als sicher, dass die träge Masse von Antimaterie exakt der normaler Materie entspricht, die schwere Masse eines Antiteilchens konnte jedoch bisher noch nie direkt bestimmt werden. Für ihre Studie werteten die Forscher daher nun die Daten aus, die während des ALPHA-Experiments im Jahr 2011 gesammelt worden waren. Ihre Überlegung: Wenn man herausfindet, wo genau im Detektor die Annihilation stattfindet, dann kann man daraus rückschließen, ob die Antiteilchen sich nach Abschalten des Magnetfelds nach unten oder oben bewegt haben – ob sie also der Schwerkraft folgten oder ihr quasi auswichen.

Messung nur bei 23 Antiteilchen möglich

In der Praxis stießen die Wissenschaftler allerdings auf einen ganzen Haufen Probleme. So lassen sich beispielsweise die Magnetfelder der Fallen nicht einfach von jetzt auf gleich abschalten – sie brauchen einige Millisekunden, um vollständig herunterzufahren. In dieser Zeit gibt es jedoch viele unkontrollierte Annihilationsreaktionen, die nicht oder nur sehr begrenzt auswertbar sind. Die besten Ergebnisse erhielten die Forscher bei den Antimaterie-Teilchen, die erst sehr spät der Falle entkamen und nur noch eine geringe Energie aufwiesen: Bei ihnen war der Einfluss der Schwerkraft am stärksten zu erkennen.

Doch auch hier gab es ein Problem: Von den 434 Antiwasserstoff-Atomen waren nur 23 für die Messung brauchbar – viel zu wenig, um belastbare Ergebnisse zu erhalten, stellen die Forscher enttäuscht fest. Die Gesamtauswertung zeigte dann auch: Es lassen sich bisher keinerlei Aussagen dazu machen, ob die Teilchen nun nach oben oder nach unten fallen. Sagen können die Forscher bisher nur, dass das Verhältnis von schwerer zu träger Masse nicht größer als 110 und nicht kleiner als -65 sein kann – das ist Welten von der Genauigkeit entfernt, die es bräuchte, um anzugeben, ob der Wert nun exakt bei eins liegt oder nicht. Und auch, ob die Antimaterie nun der Schwerkraft folgt oder nicht, bleibt vorerst unklar.

Genauere Messungen sollen folgen

Trotzdem sind die Wissenschaftler zuversichtlich, dass ihr Messprinzip grundsätzlich funktioniert. Im Moment sei man dabei, das ALPHA-Experiment zu erweitern und zu verbessern, geben sie an. Dabei gibt es beispielsweise einen zusätzlichen Kühlschritt per Laser, der dazu dienen soll, mehr Antiteilchen in den energiearmen Zustand zu überführen, in dem sie sich am besten vermessen lassen.

Zudem soll die Abschaltung des Magnetfeldsystems besser steuerbar werde. Ein langsameres Absinken der Feldstärke könnte dann ebenfalls helfen, mehr energiearme Teilchen zu erzeugen. Mit neuen Ergebnissen könne daher in einem bis fünf Jahren gerechnet werden, prognostiziert das Team. (Nature Communications, 2013; doi: 10.1038/ncomms2787)

(CERN / UC Berkeley, 02.05.2013 – ILB)

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