Sollten einmal Astronauten zum Mars fliegen, wären sie auf ihrem monatelangen Flug erheblicher krebserregender Strahlung ausgesetzt. Denn vor allem die extrem energiereiche kosmische Strahlung passiert die gängigen Schutzschirme der Raumsonden nahezu ungehindert. Bereits durch einen einzigen Flug zum Roten Planeten könnte ein Astronaut demnach eine Dosis von fast einem Sievert abbekommen – und damit einen Wert, der bisher als Maximum für die Lebensdosis eines Astronauten gilt, wie ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Science“ berichtet.
Auf der Erdoberfläche sind wir durch die Atmosphäre und das Magnetfeld unseres Planeten vor einem Großteil der schädlichen Strahlung aus dem All geschützt. Doch sobald wir diese schützende Hülle verlassen, droht Gefahr gleich aus mehreren Quellen: Zum einen sendet die Sonne einen steten Strom von energiereichen Partikeln – meist Protonen und geladenen Atomkernen – und von Strahlung aus. Dieser Sonnenwind wird für einen Astronauten dann lebensbedrohlich, wenn ein Massenauswurf oder ein Strahlenausbruch große Mengen von Plasma und Strahlung auf einmal ins All schleudern.
Gefahr fürs Erbgut durch Atomkern-Bombardement
Noch gefährlicher, weil energiereicher aber ist die sogenannte galaktische kosmische Strahlung. Sie besteht neben elektromagnetischer Strahlung auch aus sogenannten Schwerionen – Atomkernen schwererer Elemente, die ihre Hülle aus Elektronen verloren haben. Diese hochenergetischen Partikel durchdringen selbst dickere Schutzwände nahezu ungehindert. Treffen Teilchen der kosmischen Strahlung auf menschliche Zellen, können sie schwere Schäden im Erbgut auslösen. Ähnlich wie bei radioaktiver Strahlung kalkuliert man auch für diesen Strahlentyp einen Anstieg des Krebsrisikos um fünf Prozent bei einer Strahlendosis von rund einem Sievert.
„Ein Raumschiff, das Menschen auf eine Langzeitmission ins All bringen würde, hätte sicher eine Art ‚Strahlenbunker‘ an Bord, um die Astronauten gegen einen Sonnensturm zu schützen“, erklärt Erstautor Cary Zeitlin vom Southwest Research Institute (SwRI). „Aber die galaktischen Strahlen sind schwerer zu stoppen und selbst eine Aluminiumhülle von 30 Zentimetern Dicke würde die Dosis kaum senken.“ Da es aber andererseits bei der Konstruktion eines Raumfahrzeugs auf jedes Gramm Gewicht ankommt, kann andererseits eine Abschirmung auch nicht viel dicker gemacht werden.
Strahlung entspricht einem Ganzkörper-CT pro Woche
Wie viel Strahlung ein Astronautenteam auf einer Reise zum Mars und zurück tatsächlich abbekommen würde, haben die Forscher jetzt mit Hilfe einer unbemannten „Vorhut“ erstmals genauer ermittelt. Sie benutzten dafür Strahlenmesser an Bord der Raumsonde, die den Mars-Rover Curiosity im letzten Jahr zum Roten Planeten brachte. Insgesamt war die Sonde dabei 253 Tage unterwegs und legte dabei rund 560 Millionen Kilometer zurück – einfache Strecke. „Unsere Messung ist die erste ihrer Art“, erklären die Forscher. Denn zu Zeiten der Apollo-Missionen seien die Abschirmungen noch sehr einfach und ungenügend gewesen. Die Marssonde jedoch habe bereits komplexe Schutzhüllen besessen, die denen entsprechen, wie sie auch für bemannte Missionen eingesetzt werden würden.
„Die Messdaten zeigen eine durchschnittliche Strahlendosis von 1,88 Millisievert pro Tag“, berichtet Zeitlin. Das summiere sich für die gesamte Reise hin und zurück bis auf rund 0,66 Sievert – diese Dosis entspricht einem Ganzkörper-CT-Scan einmal alle fünf oder sechs Tage. Sie macht bereits einen Großteil der maximal zulässigen Lebensdosis eines Astronauten aus. Das aber wäre nur die Dosis für die Reise selbst. Die Zeit auf der Marsoberfläche, dessen dünne Atmosphäre und schwaches Magnetfeld kaum vor Strahlung schützt, würde diesen Wert noch erhöhen.
Der Sonnenwind ist nur das kleinste Problem
Und noch etwas zeigten die Messungen: Nur fünf Prozent der gesamten Strahlungsbelastung stammte vom leichter abschirmbaren Sonnenwind. Denn die Sonne befand sich zum Reisezeitpunkt in einer besonders ruhigen Phase, in der es kaum solare Ausbrüche gab. 95 Prozent aber gingen auf die besonders energiereiche galaktische Strahlung zurück – und lassen sich mit heutigen Konstruktionen kaum abschirmen.
„Bevor Menschen für längere Zeit durch den Weltraum reisen, muss dieses Problem gelöst werden – auf die eine oder andere Weise“, sagt Zeitlin. Man müsse auch noch besser erforschen, wie sich die Strahlung verändert, wenn sie durch die Raumschiffhüllen passiert. Denn durch Kollisionen mit Atomen im Material entstehen, wie die Messungen zeigten, auch sekundäre Teilchen, die ebenfalls gesundheitsschädlich sind. (Science, 2013; doi: 10.1126/science.1235989)
(Southwest Research Institutte, Science, 31.05.2013 – NPO)