Das Schicksal der Sonne und ihrer gleich schweren stellaren Artgenossen schien bisher klar: Sie werden erst zum Roten Riesen, dann kollabieren sie und schleudern dabei Gas und Staub als leuchtende Gas- und Staubwolke weit ins All hinaus. Jetzt aber zeigt sich: Erstaunlich viele sonnenähnliche Sterne enden sehr viel unspektakulärer: Sie werden einfach nur kleiner und kälter und verwandeln sich ohne große Eruptionen in einen Weißen Zwerg. Bestehende Modelle der Sternenentwicklung müssen daher korrigiert werden, wie ein internationales Astronomenteam im Fachmagazin „Nature“ berichtet.
Trotz aller Rätsel im Kosmos: Zumindest eines glaubte man bisher gut verstanden zu haben: Wie sich Sterne entwickeln und wie sie am Ende ihres Lebenszyklus sterben. So wird die Sonne wie auch andere Sterne ihrer Masse nach dem Aufbrauchen des Brennstoffs für ihre Fusionsreaktion zunächst zu einem Roten Riesen werden und dann kollabieren. Dabei schleudert sie einen Großteil ihrer Materie als Gas und Staub ins All hinaus. Diese wiederum liefern das Rohmaterial für die nächsten Generationen von Sternen. Dieser Zyklus des Massenverlustes und der Neuentstehung ist entscheidend für die Entstehung schwerer Elemente im Universum und liefert auch das Material, das für die Entstehung von Planeten – und letztendlich für organisches Leben nötig ist.
Bei der Durchsuchung alter Fachartikel stolperte der Australier Simon Campbell vom Zentrum für Astrophysik der Monash University in Melbourne allerdings auf einige Ungereimtheiten: Einige Sterne schienen diesen Regeln nicht zu folgen und die sogenannte AGB-Phase – das Stadium des Roten Riesen und des Kollabierens – vollständig zu überspringen. „Für einen Wissenschaftler, der sich mit der Modellierung der Sternentwicklung befasst, klangen solche Vermutungen verrückt“, erklärt Campbell. „Nach unseren Modellen durchlaufen alle Sterne die AGB-Phase. Ich habe alle alten Studien genau überprüft und herausgefunden, dass diese Annahme nicht angemessen untersucht wurde. Ich habe mich daher dazu entschlossen, selbst Untersuchungen anzustellen, obwohl ich wenig Erfahrung hatte was Beobachtungen angeht.”
Kugelsternhaufen als Testfall
Mit Hilfe des Very Large Telescope (VLT) der ESO untersuchten Campbell und sein Team für ihre Studie sehr sorgfältig das Licht der Sterne des Kugelsternhaufens NGC 6752 im südlichen Sternbild Pavo (der Pfau). Diese gewaltige, kugelförmige Ansammlung uralter Sterne enthält sowohl eine erste, sehr alte Generation von Sternen, als auch eine zweite Generation, die zu einem späteren Zeitpunkt entstand. Diese beiden Generationen unterscheiden sich in der Menge an Natrium, die sie enthalten.
Den Zusammenhang von Natriumgehalt und Entwicklungszyklus dieser Sterne haben die Astronomen nun mit Hilfe des VLT genauer untersucht. „FLAMES, der hochauflösende Multi-Objekt-Spektrograf des VLT, war das einzige Instrument, das uns ermöglicht hat, wirklich qualitativ hochwertige Daten für 130 Sterne auf einmal aufzunehmen. So konnten wir den größten Teil des Kugelsternhaufens in einem Zug beobachten”, fügt Campbell hinzu.
70 Prozent überspringen AGB-Phase
Die Ergebnisse waren überraschend – alle AGB-Sterne in der Studie waren Sterne der ersten Generation mit einem niedrigen Natriumanteil, während kein einziger Stern der zweiten Generation mit einem hohen Natriumgehalt zu einem AGB-Stern geworden war. 70 Prozent der Sterne durchliefen demnach die letzte Phase nuklearer Fusionsreaktionen und den resultierenden Massenverlust nicht. Stattdessen entwickelten sie sich direkt zu weißen Zwergen aus Helium und kühlten anschließend über viele Milliarden Jahre allmählich ab.
„Es hat den Anschein, als ob Sterne natriumarme ‚Nahrung‘ benötigen, um die AGB-Phase im hohen Alter überhaupt erst erreichen zu können“, folgert Campbell. Zwar sei nicht davon auszugehen, dass der Natriumgehalt selber die Ursache für das abweichende Verhalten darstellt. Allerdings müsse er eng mit der zugrundeliegenden Ursache verknüpft sein, die allerdings noch ein Rätsel ist. „Das bedeutet, dass unsere Computermodelle der Sternentwicklung unvollständig sind und korrigiert werden müssen”, sagt der Astronom. Die Forscher gehen davon aus, dass ähnliche Ergebnisse für andere Sternhaufen gefunden werden. Weitere Beobachtungen sind geplant. (Nature, 2013; doi: 10.1038/nature12191)
(ESO/ MPI für Astronomie, 31.05.2013 – NPO)