Biologie

Ozeane-Versauerung gefährdet Tintenfische

Sinkender pH-Wert hemmt Wachstum von Kalmaren und schädigt ihre Gleichgewichtsorgane

Noch ist die Kalmar-Art Loligo pealeii im Atlantik weit verbreitet © NOAA/ NMFS/ SEFSC

Tintenfische könnten es künftig schwer haben: Denn die zunehmende Versauerung der Meere erschwert ihnen das Überleben, wie ein Experiment von US-amerikanischen Forschern jetzt zeigt. In saurerem Wasser wachsen ihre Eier langsamer und die Jungtiere bleiben kleiner. Gleichzeitig entwickeln sie deformierte Gleichgewichtsorgane, so dass sie die Orientierung verlieren und im Kreis schwimmen. Die Gefährdung der Tintenfische durch die Versauerung werde weitreichende Folgen haben, warnen die Wissenschaftler im Fachmagazin „PLoS ONE“. Denn die Tiere seien sowohl ökologisch wie auch ökonomisch ein wichtiger Teil der Meeresfauna.

Der steigende Kohlendioxidgehalt der Luft heizt nicht nur das Klima an, er wirkt sich auch auf die Ozeane aus. Denn Meer und Atmosphäre stehen in stetem Austausch. Ein Teil des Treibhausgases löst sich im Meerwasser und bildet dort Kohlensäure und andere chemische Verbindungen, die das Wasser saurer machen. Das aber hat Folgen vor allem für Meeresbewohner wie Korallen, Muscheln, Seeigel oder Kalkalgen. Denn sie sind für ihre Kalkschalen und -skelette darauf angewiesen, ausreichend Kalziumkarbonat aus dem Wasser aufnehmen zu können. In saurem Wasser jedoch wird diese Biomineralisation erschwert, stattdessen löst sich vermehrt Kalk auch aus bereits bestehenden Schalen.

In letzter Zeit mehren sich Hinweise darauf, dass auch andere Meerestiere durch einen sinkenden pH-Wert beeinträchtigt werden. So verlieren beispielsweise die Larven von Clownfischen bereits unterhalb eines pH von 7,8 ihren Geruchssinn. Zum Vergleich: Der normale Säuregrad des Meerwassers liegt zurzeit zwischen 7,9 und 8,25. Welche Folgen die zunehmende Versauerung auf Tintenfische hat, war bisher unklar. Max Kaplan, Aran Mooney und ihre Kollegen von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) haben dies nun in einem Experiment untersucht.

Laborbecken als saurer Ozean der Zukunft

Dafür fingen die Forscher im Vineyard Sound in Massachusetts mehrere männliche und weibliche Kalmare der Art Loligo pealeii. Diese zehnarmigen, rötlich gefärbten Kopffüßer kommen entlang der Ostküste Nordamerikas häufig vor, ihr Körper ist etwa so lang wie ein menschlicher Unterarm. Die eingefangenen Tiere wurden im Labor gehalten, bis sie sich paarten und die Weibchen mit der Ablage ihrer Eikapseln begannen.

Kaplan und seine Kollegen sammelten die Eikapseln ein und legten sie in zwei verschiedene Meerwasserbecken. Eines wurde mit normaler Außenluft belüftet, der Säuregrad des Wassers entsprach daher dem im heutigen Nordatlantik. Das zweite Becken erhielt Luft mit einem erhöhten Kohlendioxid-Gehalt, das Wasser war dadurch drei Mal saurer als heute. Es entsprach damit in etwa dem Wert, wie er für Ende dieses Jahrhunderts für viele Meeresregionen vorhergesagt wird. Die Forscher beobachteten, wie lange die Larven zum Schlupf benötigten und vermaßen und untersuchten die Jungtiere in regelmäßigen Abständen.

Klein und ziemlich orientierungslos

Das Ergebnis: In nahezu allen gemessenen Parametern hatte das saure Wasser deutliche Auswirkungen: Die Tintenfischembryonen im saureren Wasser entwickelten sich langsamer und schlüpften später. „Das ist nicht gerade günstig, wenn man nur eine unbewegliche Masse Eier am Meeresboden ist, die leicht von Fischen gefressen werden kann“, sagt Mooney. Nach dem Schlüpfen blieb die Größe der Jungtiere zudem im Durchschnitt um fünf Prozent hinter der ihrer Artgenossen im weniger sauren Wasser zurück.

Aber nicht nur das: Die dem höheren pH-Wert ausgesetzt Kalmare entwickelten auch missgebildete Gleichgewichtsorgane. Diese bestehen normalerweise aus winzigen Kristallen aus Kalziumkarbonat, den sogenannten Statolithen. Anhand der Bewegungen dieser Kristalle in speziellen Sinneszellen erkennen die Tintenfische ihre Lage im Wasser und können so ihre Schwimmbewegungen steuern. Statt regelmäßiger, voll ausgebildeter Statolithen besaßen die im sauren Wasser aufgewachsenen Kalmare sehr viel kleinere Kristalle mit fehlgebildeter Struktur, wie die Forscher berichten.

Leichte Beute für Fressfeinde

„Das spricht dafür, dass die Tiere bei hohen CO2-Werten Probleme haben, diese Kristalle zu bilden“, erklärt Mooney. Das saure Wasser löse das Kalziumkarbonat ständig wieder auf. Als Folge bekommen die Kalmare Probleme bei der Orientierung und werden daher leichte Beute für Raubfische. Das Ergebnis des Experiments zeige, dass die Folgen der Meeresversauerung weitreichender sein könnten als bisher angenommen.

„Tintenfische stehen im Zentrum des Meeresökosystems – nahezu alle Meerestiere ernähren sich von ihnen oder fressen sie“, erklärt Mooney. Wenn ihnen etwas zustoße, habe das Folgen auf vielen Ebenen der marinen Nahrungskette. So seien Kalmare eine wichtige Nahrung für Thunfische und andere kommerziell wichtige Fischarten. In vielen Regionen werden aber auch die Tintenfische selbst gefangen und als begehrte Meeresfrucht verkauft.

(Public Library of Science, 03.06.2013 – NPO)

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