Die Reiternomanden der Xiongnu gründeten vor mehr als 2.000 Jahren das erste Steppenimperium Zentralasiens. Ihre Fürsten begruben sie mit reichen Grabbeigaben aus Gold. Woher dieses Gold aber stammte, war bisher unklar. Ein deutsch-französisches Forscherteam hat nun die Herkunft des Edelmetalls erstmals genauer bestimmt. Dabei zeigte sich: Entgegen bisherigen Annahmen stammte das Gold nicht aus China, sondern wurde von den Nomaden selbst aus den Flüssen der Mongolei gewonnen.
Ihretwegen errichteten die Chinesen ihre Große Mauer: Das Nomadenvolk der Xiongnu dominierte die Steppen Zentralasiens zwischen dem 3. Jahrhundert vor und dem 4. Jahrhundert nach Christus. Sie tauchen in frühen chinesischen Chroniken zunächst als „Barbaren“ auf, später werden sie als kampfeslustige Reiterkrieger beschrieben, die sich durch rasche Angriffe und große Mobilität auszeichnen. Im 3. Jahrhundert vor Christus gründeten die Xiongnu ein eigenes Reich, das erste Steppenimperium. Vor einigen Jahren entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen in Gol Mod in der Mongolei kunstvoll mit Gold verzierte Särge dieses Nomadenvolkes. Die Forscher vermuten, dass dort einer der letzten Häuptlinge der Xiongnu begraben wurde.
Röntgenstrahlen sollen Herkunftsrätsel lösen
Doch woher stammt das Gold? War es Gold der Xiongnu? Hatten sie überhaupt die Fähigkeit, um Metalle gewinnen und verarbeiten zu können? Oder war das Gold vielleicht ein Geschenk der Chinesen, um die kriegerischen Nomaden milde zu stimmen? Um diese Fragen zu klären, analysierten Forscher der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin gemeinsam mit französischen Kollegen Proben der Goldfunde aus der Grabstätte Gol Mod. Der Haken dabei: Das wertvolle Material durfte nicht zerstört werden. Daher musste eine zerstörungsfreie Methode eingesetzt werden. Die Wahl fiel auf die Röntgenfluoreszenzanalyse.
„Ist Gold aus Flüssen gewonnen worden, enthält es auch Spuren von Platin“, erklärt der BAM-Physiker Martin Radtke. „Doch bei einer Röntgenfluoreszenzanalyse haben wir das Problem, dass die Elemente Gold und Platin im Periodensystem unmittelbar nebeneinander liegen“. Zudem ist Platin nur in sehr geringen Konzentrationen im Gold vorhanden, weshalb die starken Signale des Goldes die schwachen des Platins überlagern. Bei der Röntgenfluoreszenzanalyse wird mittels Röntgenstrahlung ein Elektron in der Nähe des Atomkerns eines Elements herausgeschlagen. Die Lücke wird dann durch ein Elektron von weiter außen gefüllt. Dabei wird Strahlung frei, die gemessen werden kann. Ihre Energiemenge und Wellenlänge verrät, um welche Element es sich handelt.
Um das Problem der Überlagerungen von Platin und Gold zu umgehen, konzentrierten sich Radtke und seine Kollegen zunächst auf die Bestimmung der Spektren von chemisch reinem Platin, aber auch von Zinn, Kupfer oder Silber. Die Untersuchungen erfolgten am Berliner Elektronenspeicherring „Bessy II“. Danach begann die eigentliche Goldprobenuntersuchung. Die dabei erhaltenen Spektren konnten die Forscher dann mit denen vergleichen, die sie zuvor von den reinen Elementen erhalten hatten.
Platin verrät Herkunft aus mongolischen Flüssen
Das Ergebnis: In den Goldplättchen fand sich Platin. Das lässt nach Angaben der Wissenschaftler darauf schließen, dass die Xiongnu das Gold selbst aus Flüssen gewonnen haben. „Bisher dachte man, dass die Xiongnu Goldobjekte aus China bekamen, anstatt sie lokal zu verarbeiten. Die Untersuchungen zeigen nun, dass das Gold aus dem Gebiet der heutigen Mongolei kommt“, berichtet Studienleiterin Maria Guerra vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Paris. Denn mit der Röntgenfluoreszenz gelang es den Forschern auch, die Herkunft des Goldes regional einzugrenzen.
Da es auch in der heutigen Mongolei noch viele Gold- und Platinquellen gibt, sei das plausibel und naheliegend. Die Fundstücke seien auch ein gutes Beispiel für die Güter, die entlang der Seidenstraße gehandelt wurden. Die für diese Analyse entwickelte Methode kann zukünftig nicht nur Archäologen helfen, um Handelswege nachzuvollziehen. Auch bei heutigen Herstellungsprozessen kann sie nützlich sein. So braucht man in der Halbleitertechnik immer reineres Silizium. „Dieses ist aber mit Aluminium verunreinigt. Auch dieses können wir mit unserem Verfahren nachweisen“, sagt Martin Radtke von der BAM. (Analytical Chemistry, 2013; doi: 10.1021/ac3025416)
(Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, 13.06.2013 – NPO)