Istanbul könnte ein starkes Erdbeben bevorstehen: Seismologen haben einen 30 Kilometer langen und zehn Kilometer tief reichenden Bereich entlang der Nordanatolischen Verwerfungszone identifiziert, der seit langer Zeit verdächtig ruhig ist. Das deutet darauf hin, dass das Gestein im Untergrund verhakt ist und sich hier Spannung aufstaut. Dieser potenzielle Erdbebenherd liegt nur 15 bis 20 Kilometer von der historischen Altstadt Istanbuls entfernt, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Ein Starkbeben hätte daher verheerende Folgen.
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Die Türkei liegt auf unruhigem Untergrund: Hier hat die Kollision der Afrikanischen und der Eurasischen Platte gleich zu mehreren Verwerfungen im Untergrund geführt. Die Anatolische Mikroplatte ist zwischen diesen beiden großen eingeklemmt und bewegt sich pro Jahr um zwei bis drei Zentimeter westwärts. Der Norden dieser Platte wird von der Nordanatolischen Verwerfung durchzogen, die nur rund 20 Kilometer südlich von Istanbul entlangläuft. Während sich an anderen Stellen der Verwerfung, wie beispielweise 1999 in Izmit, die Spannung im Untergrund häufig durch Erdbeben entlädt, hat es im Gebiet um Istanbul seit rund 250 Jahren kein stärkeres Beben mehr gegeben.
Deshalb gilt die Istanbul-Marmara-Region im Nordwesten der Türkei mit mehr als 15 Millionen Einwohnern als potenziell hochgradig gefährdet. Um die Gefahr genauer einzuschätzen und die Prozesse, die vor einem Starkbeben ablaufen zu beobachten, haben Forscher des Potsdamer Helmholtz-Zentrums GFZ gemeinsam mit dem Kandilli-Erdbebenobservatorium aus Istanbul ein seismisches Messnetz auf den Prinzen-Inseln im Marmarameer vor Istanbul errichtet. Die Prinzen-Inseln bieten die einzige Möglichkeit, die unterhalb des Meeresbodens verlaufende Erdbebenzone aus wenigen Kilometern Entfernung zu überwachen.