Technik

Erster Schritt zur Echoortung mit dem Smartphone

Software erkennt Größe und Form eines Raums allein am Schall - und mit simpler Technik

Eine Handvoll Mikrophone und ein Lautsprecher reichen aus, um die genaue Form und Größe dieses Raums zu bestimmen. © Dokmanic et al. /PNAS

Fledermäuse, Delfine und einige Vögel erfassen ihre Umwelt durch Echoortung. Möglicherweise können auch wir künftig diese Fähigkeit nutzen – mit Hilfe einer neuentwickelten Software und einfachen Mikrophonen – beispielsweise denen unserer Smartphones. Forscher aus der Schweiz und den USA haben eine solche Technik jetzt getestet. Nur mit einer handvoll Mikrophone gelang es ihnen, die Form und Größe eines einfachen Raums allein aus den Lautechos zu rekonstruieren. Das Gleiche funktionierte sogar in der komplexen Geometrie einer gotischen Kathedrale, wie sie im Fachmagzin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.

„Stellen Sie sich vor, Sie betreten mit verbundenen Augen einen Raum, schnipsen mit den Fingern und lauschen den Echos – können Sie die Form des Raums hören?“, fragen Ivan Dokmanic von der Polytechnischen Hochschule in Lausanne und seine Kollegen. Die meisten von uns müssen in diesem Punkt wohl passen. Es gibt aber Menschen, die tatsächlich ihre Umgebung „erhören“ können. Der US-Amerikaner Daniel Kish beispielsweise erzeugt Klicks mit seinem Mund und kann aus deren Echos die Form, Entfernung und Dichte von Objekten um sich herum ermitteln.

Echos liefern die Informationen

Die Hauptinformation erhält er dabei aus dem primären Echo – den Schallwellen, die beim ersten Auftreffen auf ein Hindernis zurückgeworfen werden und im Ohr ankommen, wie die Forscher erklären. Denn zwischen den Ankunftszeiten dieser Echos und der Raumgeometrie bestehe ein mathematischer Zusammenhang. Ob sich dieser Zusammenhang nutzen lässt, um mit einfachen Mitteln eine solche Echoortung nachzubauen, haben Dokmanic und seine Kollegen nun ausprobiert.

Dafür entwickelten sie zunächst einen Algorithmus, der die Eigenschaften der primären Echos verarbeitet und daraus berechnet, wo dieser Ton reflektiert wurde und in welcher Entfernung. Die Schwierigkeit dabei bestehe darin, die benötigten Schallwellen aus der Vielzahl störender Nebengeräusche und sekundärer Echos herauszufiltern, erklären die Forscher. Nach einer Reihe von Vortests und theoretischen Analysen war es dann so weit: Der erste Test unter realen Bedingungen konnte beginnen.

Fast auf den Zentimeter genau: Vermessung des Raums per Schall © Dokmanic et al. /PNAS

Test im Seminarraum

In einem Seminarraum an der Polytechnischen Hochschule Lausanne platzierten die Wissenschaftler zunächst einen einfachen, handelsüblichen Lautsprecher an einer Zimmerwand. Fünf einfache Mikrophone stellten sie in der Zimmermitte als lose Gruppe auf und verbanden sie mit einem Rechner, auf dem der neu entwickelte Algorithmus lief. Um die Raumgeometrie ein wenig komplexer zu machen, bauten die Forscher zudem eine schräge Wand aus gekippten Tischen vor einer der geraden Zimmerwände auf. Dann begann das eigentliche Experiment: Über den Lautsprecher spielten die Wissenschaftler einen stetig anschwellenden Ton ab, der alle hörbaren Frequenzen enthielt.

Das Ergebnis: Der Algorithmus konnte schon nach einmaliger Aufnahme der Tonechos die Größe und Abmessungen des Raumes bis auf einen Zentimeter genau ermitteln. „Im Gegensatz zu früheren Ansätzen rekonstruiert er dabei die volle dreidimensionale Geometrie des Raums nach nur einem Sound und mit einer zufällig verteilten Gruppe von Mikrophonen“, so die Forscher. Es seien weder spezielle Aufnahmegeräte noch eine ausgeklügelte Aufstellung von Lautsprecher und Mikrophonen nötig. Und das Ganze klappte selbst dann, wenn der Ton mit einem Richtlautsprecher erzeugt wurde – also nur in eine Richtung abgestrahlt wurde statt wie normalerweise in einer kreisförmigen Wellenfront. „Auch dann identifizierte der Algorithmus die Lage der Wände und auch der Decke und des Bodens korrekt“, berichten Dokmanic und seine Kollegen.

Versuchsaufbau im Vorraum der Kathedrale von Lausanne. © Dokmanic et al. / PNAS

Funktioniert selbst in der Kathedrale

Dann folgte der Härtetest: Die Forscher stellten Lautsprecher und Mikrophone in der Vorhalle der Kathedrale von Lausanne auf. Dieser Raum direkt hinter dem Hauptportal wird von vier mit Stuck verzierten Säulen in jeder Ecke begrenzt, hat eine gewölbte Decke und einen an den Seiten durch eine Stufe erhöhten Boden. „Trotz der komplexen Raumstruktur mit Hindernissen vor den Wänden und vielen kleinen Objekten, die auch Echos erzeugen, hat der Algorithmus die Signale der drei Wände und den Boden richtig identifiziert“, berichten die Wissenschaftler. Dass es auch hier gelungen sei, die Größe und Form des Raums korrekt zu erfassen zeige, wie robust diese Methode sei.

Nach Ansicht der Forscher eröffnet diese Technologie völlig neue Möglichkeiten der Anwendung. Theoretisch wäre es beispielsweise denkbar, sowohl die Position einer mit dem Handy telefonierenden Person als auch den sie umgebenden Raum allein aus dem Sprachgeräusch und dessen Echos zu bestimmen. Das könnte bei Ermittlungen helfen, aber auch bei der Konstruktion virtueller Räume. Möglicherweise könnte man sogar eines Tages den Spieß umdrehen und mit den einfachen Mikrophonen von Smartphones solche Ortungen durchführen. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2013; , doi: 10.1073/pnas.1221464110)

(PNAS, 20.06.2013 – NPO)

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