Ein silberner Knopf und ein paar Waagschalen – das klingt zunächst nicht spektakulär. Doch diese rund 1.000 Jahre alten Funde haben Archäologen jetzt verraten, wo sich die Überreste eines sagenumwobenen Handelszentrums der Wikinger verbergen könnten: in Steinkjer, einer Kommune in der Nähe von Trondheim in Norwegen. Denn dort stießen sie in Wikingergräbern auf mehrere Objekte, die nicht aus der Heimat der Wikinger stammen, sondern aus England und noch ferneren Gegenden.
Bisher galt Nidaros, der mittelalterliche Vorläufer der Stadt Trondheim, als das wichtigste Handels- und Machtzentrum der Wikinger. Dort residierte vor rund tausend Jahren der Wikingerkönig Olav Haraldsson und dort konzentrierte sich auch der Reichtum der Nordmänner. Doch in den nordischen Sagen wird ein anderer, noch größerer Handelsplatz erwähnt, der vor Nidaros existiert haben soll. Lange blieb aber unklar, ob es sich dabei um einen realen Ort handelte oder eine Fiktion. Einen tausend Jahre alten Wikinger-Handelsplatz zu finden, ist leider alles andere als einfach. Denn Steingebäude gab es damals kaum, und auch die Handelsware bestand meist aus tierischen und pflanzlichen Materialien, die den Lauf der Jahrhunderte nicht überdauern.
Perlen, Schmuck und Schwerter
Anhaltspunkte können allerdings alte Münzen oder Metall- und Glasobjekte liefern, die nicht aus der Heimat der Wikinger stammen – und daher importiert und damit gehandelt worden sein müssen. Tatsächlich hatten Archäologen schon vor längerer Zeit in der Kommune Steinkjer in der Nähe von Trondheim Hinweise auf eine frühere Siedlung der Wikinger gefunden. Bis heute erhalten ist dort ein Gräberfeld mit mehreren Steinkreisen und Gräbern.
Geir Grønnesby und Ellen Grav Ellingsen von der Universität für Wissenschaft und Technik in Oslo haben nun sämtliche Funde in dieser Gegend erneut katalogisiert und untersucht, um aus deren Verteilung Rückschlüsse über die mögliche Lage des Handelsplatzes ziehen zu können. Dazu gehören mehrere Schwerter mit H-förmigen Griffen, gut 250 Bernstein- und Glasperlen sowie mehrere Ketten und Broschen. Wie die Forscher berichten, deuten diese Fundstücke aus Steinkjer daraufhin, dass die an diesen Ort lebenden Wikinger wohlhabend waren und durchaus auch Importgüter besaßen. Denn einige der Schmuckstücke stammten nicht aus Skandinavien.
Waagschalen als Indiz für Handel
Als entscheidend aber erwiesen sich zwei neue Funde, die die Archäologen in Wikingergräbern im Ort Lø entdeckten. Der eine ist ein silberner Knopf aus geflochtenen Silberfäden, der von den britischen Inseln stammt. Der zweite Fund sind zwei Waagschalen, wie sie damals beim Handeln verwendet wurden. Auch sie sind nicht aus heimischer Produktion, sondern Importware, wie die Forscher berichten. Zusammen mit den anderen Funden spricht ihrer Ansicht nach alles dafür, dass das alte, sagenumwobene Handelszentrum der Wikinger tatsächlich in Steinkjer liegt.
Auch die Landschaft mache das wahrscheinlich, so die Forscher. Denn vor rundtausend Jahren war der Meeresspiegel rund fünf Meter höher als heute. Steinkjer lag damals daher direkt an der Mündung eines Flusses in den Trondheim-Fjord – und damit ideal für einen auf Seehandel spezialisierten Hafen und Handelsort. Wo sich aber genau der eigentliche Handelsplatz befand – quasi der Marktplatz dieser Siedlung – das ist bisher noch unklar. Die Wissenschaftler vermuten aufgrund der Funde und der Topografie, dass er vielleicht genau an der Stelle lag, an der heute die Kirche des Ortes Steinkjer steht. Ob das stimmt, müssen nun weitere Untersuchungen zeigen.
(The Norwegian University of Science and Technology (NTNU), 11.07.2013 – NPO)