Das weltweite Bienensterben könnte für die Pflanzenwelt schlimmere Folgen haben als bisher gedacht. Denn wie ein Feldversuch jetzt zeigt, genügt schon der Ausfall nur einer Hummelart, um das Bestäubungsverhalten der restlichen merklich zu verändern: Die Hummeln werden ihren zuvor bevorzugten Blütenarten untreu und bestäuben diese dadurch weniger effektiv. Als Folge bilden die Blumen ein Drittel weniger Samen. Das widerlege bisherige Annahmen, nach denen die Natur den Bienenschwund ausgleichen kann, solange insgesamt genügend Bestäuber vorhanden sind, konstatieren US-amerikanische Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Die Mehrheit aller Blütenpflanzen benötigt tierische Hilfe für ihre Fortpflanzung – ohne Insekten tragen Apfel, Erdbeere und Co, aber auch viele Wildblumen keine Frucht. Sie tragen den Pollen von Blüte zu Blüte und übernehmen so deren Bestäubung. Am wichtigsten für viele Nutzpflanzen, aber auch Wildgewächse sind Bienenarten – doch diese sind weltweit auf dem Rückzug. Vor allem im letzten Jahrzehnt haben Forscher einen geradezu dramatischen Rückgang von Hummel, Honigbiene und Co. registriert, der vermutlich durch Veränderung ihrer Lebensräume und die Wirkung von Pestiziden verursacht wird.
Welche Auswirkungen aber hat es, wenn die Bestäuberarten verschwinden? Modellstudien deuteten bisher daraufhin, dass Pflanzen dies verkraften können, solange genügend andere Bestäuber im Ökosystem vorhanden sind. Allerdings haben diese Ergebnisse einen Haken, wie Berry Brosi und Heather Briggs vom Rocky Mountain Biological Laboratory in Colorado berichten: Sie berücksichtigen nicht, dass sich die Bestäuberarten auch gegenseitig beeinflussen.
Bienen und Hummel sind „seriell monogam“
„Die meisten Bestäuber sind sozusagen seriell monogam: Sie besuchen zwar im Laufe ihres Lebens viele unterschiedliche Pflanzen, aber über kürzere Zeiten sind sie einer Blumenart treu“, erklärt Brosi. Diese sogenannte florale Treue ist für die Pflanzen entscheidend wichtig, denn sie wird nur dann bestäubt, wenn das Insekt auch Pollen der eigenen Art mit sich trägt – also wenn es zuvor bei einer oder mehreren Blüten der gleichen Art war. „Wenn Bienen promiskuitiv sind und viele verschiedene Blüten auf einem Sammelflug besuchen, sind sie viel weniger effektiv als Bestäuber“, ergänzt Briggs.
Da viele Nahrungspräferenzen von Tieren stark durch Konkurrenz beeinflusst werden, könnte dies bei der Blütentreue der Bienen theoretisch auch der Fall sein, vermuteten die Forscher. Das aber könnte bedeuten, dass die Bestäuber weniger stark seriell monogam sind, wenn eine oder mehrere konkurrierende Arten wegfallen – zum Nachteil der Blütenpflanzen.
Blütentreue sinkt deutlich nach Verlust einer Art
Um das zu prüfen, führten die Forscher in 20 Versuchsflächen auf einer subalpinen Alm in den Rocky Mountains einen Feldversuch durch. Zehn der dort vorkommenden Hummelarten besuchen regelmäßig die auf der Wiese wachsenden wilden Rittersporne (Delphinium barbey). Die Forscher beobachteten zunächst bei insgesamt 736 einzelnen Hummeln, wie groß ihre florale Treue in Bezug auf den Rittersporn war, indem sie die Flugbewegungen der Einzeltiere genau protokollierten. Dann fingen sie mit Netzen alle Vertreter der jeweils häufigsten Hummelart der Versuchsfläche ein. Eine Stunde später untersuchten sie erneut das Sammelverhalten der nunmehr neun verbliebenen Hummelarten.
Das Ergebnis: Nach Entfernung nur einer einzigen Art sank die florale Treue zum Rittersporn bei den Hummeln von durchschnittlich 77,7 Prozent auf nur noch 66,4 Prozent, wie die Forscher berichten. Der Pollen, den die einzelnen Hummeln mit sich trugen, war zudem deutlich gemischter als vor der Entfernung ihrer häufigsten Konkurrenten. „Schon die kleine Veränderung im Konkurrenzdruck macht die verbleibenden Hummeln deutlich weniger blütentreu“, sagt Briggs.
Ein Drittel weniger Samen
Wie sich das auf die Bestäubung der Pflanzen auswirkte, testeten die Forscher, indem sie auf jeder Versuchsfläche bei mehreren Blüten auszählten, mit wie viel Pollen die Blütenstempel vor und nach der vierstündigen Sammelzeit- und Beobachtungszeit trugen und wie viele Samen die Blüten drei Tage später ausgebildet hatten.
Wie sich zeigte, produzierten die Rittersporne im Durchschnitt ein Drittel weniger Samen auf den Flächen, auf denen eine Hummelart entfernt worden war. Das zeige, dass sich bereits der Verlust nur einer einzigen Bestäuberart negativ auf die Planzenpopulationen auswirken könne – und dass die Auswirkungen des Bienensterbens bislang stark unterschätzt worden sein könnten. „Diese Ergebnis zeigt auch, warum Artenvielfalt so wichtig für Schutz von Ökosystemen ist“, konstatiert Brosi. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2013; doi: 10.1073/pnas.1307438110)
(Rocky Mountain Biological Laboratory in Colorado, 23.07.2013 – NPO)