Geowissen

Salzsiedeöfen verraten Küsten-Absenkung

Sedimentfracht der Flüsse lässt das Küstengebiet im Ganges-Delta absinken

Eine Mangrove auf den Mauerrresten eines Salzsiedeofens. 2007 verwüstete der Zyklon Sidr den Küstenstrich. Er legte auch das Wurzelwerk des Baumes mitsamt dem Ofen frei. © T. Hanebuth / MARUM

Vor rund 300 Jahren wurden sie plötzlich aufgegeben und versanken im Meeressand: Salzsiedeöfen im Mündungsgebiet von Ganges und Brahmaputra haben jetzt Forschern verraten, warum und wie schnell das Meer im Ganges-Delta vorrückte – und welche Rolle das Absinken der Erdkruste dabei spielt. Wie sie im Fachmagazin „Geology“ berichten, war es vermutlich ein Erdbeben und ein Supersturm, die das Schicksal der alten Salzsieder besiegelten.

Das Delta von Ganges und Brahmaputra ist das größte Mündungsgebiet der Erde. Es bedeckt eine Fläche, die etwa doppelt so groß wie das Bundesland Bayern, jedoch sehr viel dichter besiedelt ist. Von den rund 143 Millionen Menschen, die in diesem Delta leben, siedeln alleine fünf Millionen unmittelbar im Küstenstreifen – buchstäblich am Rand der bewohnbaren Welt: Denn mehr als 200 Flüsse transportieren jährlich geschätzt eine Milliarde Tonnen Sediment aus dem bis zum Himalaja reichenden Hinterland an die Küste und ins Meer. Diese Auflast wird mit der Zeit so groß, dass sie in diesen Regionen sogar die Erdkruste absinken lässt.

Salzsiedeöfen als Indikator

Dieser Effekt verstärkt noch die Gefährdung der flachen Küstengebiete durch den steigenden Meeresspiegel und die häufigen Wirbelstürme. Verlässliche Informationen darüber, wie stark das Delta durch die Sedimentlast absinkt und wie stark der Meeresspiegel zukünftig ansteigen wird, sind daher für die Bewohner des Ganges-Deltas besonders wichtig. Bislang fehlte es aber an entsprechenden Bezugshöhen, um die Prozesse über längere Zeiträume zu erfassen. Wissenschaftler aus Deutschland und Bangladesch haben diese Lücke nun geschlossen – mit Hilfe eines ungewöhnlichen Indikators.

Denn das Team um Till Hanebuth vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften in Bremen untersuchte 20 Salzsiedeöfen, in denen bis vor gut 300 Jahren Salz aus Meerwasser gewonnen wurde. Damals lagen die Öfen gerade noch oberhalb der Hochwasserlinie, heute jedoch bis zu 1,55 Meter unter dem Meeresspiegel. Markante Holzkohleschichten deuten darauf hin, dass die Salzsiederei schlagartig aufgegeben wurde. Mit Hilfe der sogenannten optisch stimulierten Lumineszenz, konnten die Wissenschaftler feststellen, dass die Öfen um das Jahr 1705 erloschen – aber warum?.

Die Wissenschaftler legen die rötliche Wand eines Salzofens frei © G. Neumann-Denzau

Bald bis zu neun Millimeter pro Jahr

Einen Hinweis gaben den Forschern rund zwei Meter tief im Sediment vergrabene Wurzelstümpfe von Magrovenwäldern, die zur Zeit der Salzsieder dort wuchsen. Sie waren extrem gut erhalten – ein Hinweis darauf, dass sie relativ schnell versunken sein müssen. „In der Region hat es 1676 ein starkes Erdbeben gegeben“, sagt Hanebuth. Für das Jahr 1699 ist zudem ein außergewöhnlich heftiger Zyklon belegt, der mindestens 50.000 Menschenleben kostete. Nach Ansicht der Forscher ist es daher wahrscheinlich, dass die Kombination aus Erdbeben und Monsunsturm den Küstenstrich Schritt für Schritt absinken ließ und weiträumig Siedlungen zerstörte.

Die Daten gaben auch Auskunft darüber, wie schnell dieses Absinken von statten ging: zwischen fünf und sechs Millimeter pro Jahr. Das allerdings könnte sich durch den Klimawandel in Zukunft noch weiter verstärken: „Auf der Basis unserer Untersuchungen müssen wir davon ausgehen, dass die Pegel zukünftig pro Jahrzehnt um satte sechs bis neun Zentimeter ansteigen werden“, bilanziert Hanebuth.

Für die vielen im Ganges-Delta lebenden Menschen bedeutet das nichts Gutes: Bauern werden zunehmend mit Salzwassereinbrüchen auf ihren Feldern zu kämpfen haben, das Land wird nach Monsun-bedingten Überschwemmungen schwerer zu entwässern sein, und auch die Zyklone werden in den schon jetzt teilweise unter Meeresniveau liegenden Küstenstrichen leichteres Spiel haben. (Geology, 2013; doi: 10.1130/G34646.1)

(MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, 29.08.2013 – NPO)

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