Biologie

Methan-Mikrobe frisst Seltenerd-Metall

Forscher entdecken erstmals einen Organismus, der ein Seltenerd-Metall zum Überleben benötigt

Aus diesem vulkanischen Schlammtümpel in Italien stammt die Mikrobe © Radboud University Nijmegen

Zum ersten Mal haben Forscher eine Lebensform entdeckt, die ein Seltenerd-Metall für ihr Überleben benötigt: Eine Methan-fressende Mikrobe aus einem heißen, sauren Vulkan-Tümpel kann nur wachsen, wenn sie ausreichend Cerium bekommt. Dieses Seltenerd-Element wird in vielen technischen Verfahren eingesetzt. Dass es aber auch von Organismen aufgenommen wird, ist absolut neu, wie die Forscher im Fachmagazin „Environmental Microbiology“ berichten.

Das Ganze begann mit einem Kulturproblem: Eine in einem vulkanischen Schlammloch in Italien entdeckte Mikrobe wollte partout auf normalem Nährmedium nicht wachsen. Niederländische Forscher hatten Methylacidiphilum fumariolicum, so der Name des Bakteriums, zuvor aus einem sehr heißen, sauren Vulkantümpel geborgen. Erste Untersuchungen zeigten schnell, dass es sich bei der extrem widerstandsfähigen Mikrobe um einen „Methanfresser“ handelte – einen der Mikroorganismen, die Methan oxidieren und daraus ihre Energie gewinnen.

Suche nach dem fehlenden Element

Aber obwohl die Forscher dem Bakterium alles scheinbar Nötige zum Überleben boten, gelang es zunächst nicht, es in Kultur zu halten. Das klappte erst, als das Nährmedium mit Wasser aus dem Schlammtümpel in Italien versetzt wurde. Aber warum? Welche Komponente im Wasser war so wichtig für die Mikroben? „Die Suche nach einer Antwort wurde zu einem sechs Jahre dauernden Projekt“, erklärt Studienleiter Huub Op den Camp von der Universität Nijmegen.

Zuerst testeten die Forscher, ob es sich um eine organische oder anorganische Komponente handelte, indem sie das Wasser extrem erhitzten. „Danach war der stimulierende Effekt des Wasser noch immer vorhanden – das deutet darauf hin, dass es sich um ein anorganisches Mineral handeln musste,“, so Op den Camp. Aber welches? Um das herauszufinden, analysierte der Forscher gemeinsam mit Thomas Barends vom Max-Planx-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg ein entscheidendes Enzym des Bakteriums: die Methanol-Dehydrogenase. Sie ist für einen wichtigen Schritt bei der Methan-Oxidation verantwortlich und daher auch für das Wachstum der Mikrobe.

Modell des Enzyms mit dem zentralen Cerium-Ion. © Radboud University Nijmegen

Seltenerd-Metall Cerium als unverzichtbares „Futter“

Dabei zeigte sich, dass dieses Enzym eine ungewöhnliche mineralische Komponente enthielt. Bei anderen Methanfressern sitzt an dieser Stelle Kalzium als anorganisches Element. Doch bei Methylacidiphilum war es offenbar ein anderes. Und ein steter Nachschub dieses rätselhaften Elements war offenbar nötig, damit das Enzym funktioniert und die Mikrobe weiter wachsen konnte. Nach dem die Forscher alle erdenklichen Substanzen ausprobiert hatten, wurden sie schließlich an Ungewöhnlicher Stelle fündig: bei den Lanthanoiden. Darunter werden 15 Metalle zusammengefasst, die zur Gruppe der Seltenerd-Metalle gehören. Diese werden wegen ihrer besonderen Eigenschaften heute in vielen Elektronik-Bauteilen verbaut.

„Wir haben dann verschiedenen Lanthanoide getestet und festgestellt, dass Cerium das Wachstum der Mikroben am besten anregte“, berichtet Op den Camp. Setzten sie dieses Element dem ganz normalen Leitungswasser zu, begannen die bisher stur auf ihrer „italienischen Diät“ bestehenden Bakterien plötzlich zu wachsen.

Damit ist die Mikrobe Methylacidiphilum fumariolicum nicht nur das erste Bakterium, das nachweislich ein Seltenerd-Metall für ihr Überleben benötigt. Es ist auch das erste Mal überhaupt, dass sich ein Seltenerd-Metall als lebensnotwendig für einen Organismus erweist, wie die Forscher erklären. „Dieser Fund könnte dabei helfen, eine ganze Klasse bisher unbekannter Bakterien zu entdeckten“, meint Op den Camp. Denn bisher gelingt es nur bei einem Bruchteil von Mikroben aus extremen Umgebungen, sie im Labor zu kultivieren. Daher sind die meisten von ihnen bisher nicht genauer beschrieben oder bekannt. „Das aber könnte daran liegen, dass bisher niemand auf die Idee gekommen ist, das Nährmedium mit Lanthanoiden anzureichern“, so der Forscher. (Environmental Microbiology, 2013; doi: 10.1111/1462-2920.12249)

(Radboud University Nijmegen, 06.09.2013 – NPO)

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