Eine Trennung, der Tod eines Angehörigen oder eine schwere Krankheit – wer im mittleren Alter solche traumatischen Erfahrungen macht, der hat auch später im Leben schlechte Karten: Denn diese Menschen haben ein höheres Risiko, im Alter an Demenz zu erkranken, wie eine schwedische Studie zeigt. Der Stress solcher Erlebnisse verändert vermutlich physiologische Faktoren, die später einen Ausbruch von Alzheimer und Co begünstigen, mutmaßen die Forscher im „British Medical Journal“.
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„Man weiß, dass Erfahrungen von schweren psychologischen Stressfaktoren wie Krieg oder eine Naturkatastrophe, die geistige und körperliche Gesundheit noch Jahrzehnte später beeinflussen können“, erklären Lena Johansson von der Universität Göteborg und ihre Kollegen. Weniger bekannt ist dagegen, wie sich etwa weniger dramatische, aber dafür häufiger vorkommende Ereignisse wie eine Trennung oder ein Tod oder die schwere Krankheit eines Angehörigen auswirken. Johansson und ihre Kollegen haben nun untersucht, ob solche Stress auslösenden Erfahrungen möglicherweise später im Leben anfälliger macht für Demenzen.
21 Prozent höheres Alzheimer-Risiko
Für ihre Untersuchung werteten sie die Daten einer Langzeitstudie aus, bei der Gesundheit und Werdegang von 800 schwedischen Frauen über 40 Jahre hinweg beobachtet wurden. Die Frauen, die in den Jahren 1914,1918, 1922 und 1930 geboren worden waren, wurden ab dem Alter von 30 etwa alle zehn Jahre einer ganzen Batterie von neuropsychiatrischen Tests unterzogen. Außerdem wurden sie über potenziell stressende Ereignisse befragt wie eine Scheidung, eine schwere Krankheit und Todesfälle oder Krankheiten in der Familie. Aber auch Zeiten der Arbeitslosigkeit oder der sozialen Probleme der Probandinnen oder ihrer Partner wurden erfasst.
Im Laufe der Studie entwickelte 153 Probandinnen eine Demenz, 104 davon Alzheimer. Im Durchschnitt waren die Frauen bei Ausbruch der Erkrankung 78 Jahre alt, wie die Forscher berichten. Die Auswertung ergab, dass diese Frauen häufiger als ihre Altersgenossinnen im Laufe ihres Lebens schwerwiegenden Stressfaktoren ausgesetzt waren. Umgekehrt hatte die Gruppe der Frauen, die besonders viele solcher einschneidender Ereignisse erlebt hatte, ein um 21 Prozent erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Diese Korrelation war selbst dann noch nachweisbar, wenn die Wissenschaftler mögliche andere Einflussfaktoren wie Gesundheitsprobleme oder frühere Demenzfälle in der Familie mit berücksichtigten und herausrechneten.
Gezielter Stressabbau in jedem Fall sinnvoll
„Unsere Studie zeigt, dass normale psychosoziale Stressfaktoren schwere und langanhaltende physiologische und psychologische Konsequenzen haben können“, konstatieren Johansson und ihre Kollegen. Solche stressreichen Ereignisse seien durchaus ein Risikofaktor für eine Demenz im höheren Alter. Denn Stress kann eine Reihe von physiologischen Reaktionen im Zentralnervensystem, Stoffwechsel, Immunsystem und dem Herz-Kreislaufsystem auslösen, wie sie erklären. Diese stressbedingten Veränderungen wiederum machen den Körper und speziell das Gehirn anfälliger für die Prozesse, die später zu Demenzerkrankungen führen.
Schon früher hätten Studien gezeigt, dass Stress strukturelle und funktionelle Schäden im Gehirn verursachen können und Entzündungen fördern, so die Forscher. Auch von Stresshormonen wisse man, dass diese noch Jahre nach einem traumatischen Erlebnis erhöht sein können. Zwar müssen die Ergebnisse noch durch weitere Studien bestätigt werden. Die Wissenschaftler halten es aber in jedem Falle für sinnvoll, langfristige Folgen von einschneidenden Erfahrungen rechtzeitig zu verhindern, beispielsweise durch ein gezieltes Stressmanagement und Verhaltenstherapie. (BMJ, 2013; doi: 10.1136/bmjopen-2013-003142)
(Universität Göteborg, 02.10.2013 – NPO)