Geowissen

Unterwasser-Vulkane verblüffen Geologen

Marie Byrd-Seamounts in der Antarktis entstanden anders als alle anderen Feuerberge

3D-Darstellung der Marie Byrd Seamounts © R. Werner, GEOMAR

Sie passen in kein gängiges Schema: Die Marie Byrd-Seamounts vor der Küste der Antarktis sind zwar Vulkane. Sie liegen aber weder an einer Plattengrenze noch an einem aktiven Mantelplume. Was aber schuf diese Unterwasser-Feuerberge dann? Geologen haben dieses Rätsel nun aufgeklärt: Unter der Erdplatte gefangene Reste von Hotspot-Material haben die Kruste so weit aufgeschmolzen, dass diese Vulkane entstanden. Die Vulkanbildung ist damit vielfältiger als bisher gedacht.

Schneestürme, Packeis und Gletscher – das sind die üblichen Bilder, die man mit der Antarktis verbindet. Doch gleichzeitig ist sie auch eine Region des Feuers. Der antarktische Kontinent und die Gewässer rundherum sind gespickt mit Vulkanen. Darunter sind aktive, aber auch längst erloschene Feuerberge. Zur letzteren Gruppe gehören die Marie Byrd-Seamounts in der Amundsen-See. Ihre Gipfelplateaus liegen heute in 2.400 bis 1.600 Metern Wassertiefe. Weil sie mit herkömmlichen Forschungsschiffen nur schwer zu erreichen sind, wurden sie bisher kaum erforscht. Dabei sind die Marie Byrd-Seamounts faszinierende Formationen: Sie passen in keines der bisher üblichen Modelle zur Entstehung von Vulkanen.

Weder Plattengrenze noch Plume

Klassisch unterscheiden Vulkanologen zwei Arten von Feuerbergen. Die eine Art entsteht dort, wo Erdplatten aneinandergrenzen. An diesen Nahtstellen der Erdkruste kann Magma besonders leicht an die Oberfläche gelangen. Die andere Art bildet sich innerhalb der Erdplatten. „Diese Intraplattenvulkane liegen oft über einem sogenannten Mantelplume“, erklärt Reinhard Werner vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. An diesen Hotspots steigt besonders heißes Magma aus dem tiefen Erdmantel auf und schmilzt sich durch die Erdkruste. So sind beispielsweise die Hawaii-Inseln entstanden.

Gesteinsproben von den Marie Byrd Seamounts werden an Bord der Polarstern gesichtet, dokumentiert und verpackt. © F. Hauff, GEOMAR

Doch für die Marie Byrd-Seamounts passen beide Modelle nicht. „Es gibt keine Plattengrenze in der Nähe und auch keinen Plume im Untergrund“, sagt Erstautorin Andrea Kipf vom GEOMAR. Um die Herkunft der Marie Byrd Seamounts zu klären, beteiligten sich die Kieler Wissenschafter 2006 an einer Expedition des Forschungseisbrechers POLARSTERN in die Amundsen-See. Dabei bargen sie Gesteinsproben von den Unterwasserbergen, die nach der Rückkehr in Laboren gründlichen geologischen, vulkanologischen und geochemischen Untersuchungen unterzogen wurden.

Plume-Relikte unter der Platte gefangen

„Interessanterweise fanden wir dabei chemische Signaturen, die typisch sind für Plumevulkane. Und sie ähnelten denen von Vulkanen in Neuseeland und auf dem antarktischen Kontinent“, erklärt der Geochemiker Folkmar Hauff. Ausgehend von diesem Befund suchten die Wissenschaftler nach einer Erklärung. Sie fanden sie in der Geschichte der Erdplatten auf der Südhalbkugel. Vor rund 100 Millionen Jahren lagen im Gebiet der heutigen Antarktis Überreste des einstigen Superkontinents Gondwana. Ein Mantelplume schmolz sich durch diese Kontinentalplatte hindurch und brach sie auf.

Zwei neue Kontinente waren geboren: der antarktische und „Zealandia“, von dem heute noch die Inseln Neuseelands zeugen. Als die jungen Kontinente in unterschiedlichen Richtungen vom dem Mantelplume weg drifteten, blieben große Mengen des heißen Plume-Materials an ihren Unterseiten hängen. Diese bildeten Reservoirs für spätere Vulkanausbrüche auf den beiden Kontinenten. „Dieser Prozess erklärt, warum wir Signaturen von Plume-Material auch an Vulkanen finden, die nicht über Plumes liegen“, sagt Hauff.

56 Millionen Jahre alte Lavaproben vom Hubert Miller Seamount, dem größten der Marie Byrd Seamounts. © F. Hauff, GEOMAR

Von schmelzflüssigen Strömungen verdriftet

Doch das erklärt noch nicht die Marie Byrd-Seamounts, denn sie liegen nicht auf dem antarktischen Kontinent, sondern auf der benachbarten ozeanischen Erdkruste. „Kontinentale Erdplatten sind aber dicker als die ozeanischen. Das sorgt unter anderem für Temperaturunterschiede im Untergrund“, erklärt Werner. Und wie zwischen unterschiedlich warmen Luftmassen Winde wehen, entstehen auch unter der Erdkruste bei Temperaturunterschieden Bewegungen. So gelangte das Plumematerial, das einst unter dem Kontinent lag, unter die ozeanische Platte.

Da diese aufgrund weiterer tektonischer Prozesse gestört war, gab es Risse und Spalten, entlang der das heiße Material aufstieg, sich in Magma verwandelte und vor rund 60 Millionen Jahre die Marie Byrd-Seamounts wachsen ließ. „Dabei entstanden Inseln, die vergleichbar mit den heutigen Kanaren sind“, sagt Kipf. Irgendwann erloschen die Vulkane jedoch wieder, Wind und Wetter erodierten die Kegel bis auf Meeresspiegelniveau, geologische Prozesse ließen die Berge dann noch weiter absinken. Schließlich lagen die Gipfel-Plateaus auf dem Niveau, das wir heute kennen.

Anhand der vorher kaum untersuchten Marie Byrd-Seamounts konnten die Forscher damit ein weiteres Beispiel dafür zeigen, wie vielfältig und komplex die Prozesse sind, die Vulkanismus verursachen können. „Wir sind noch weit davon entfernt, alle diese Prozesse zu verstehen. Aber mit der aktuellen Studie können wir einen kleinen Baustein zum Gesamtbild beitragen“, betont Werner. (Gondwana Research, 2013; doi: 10.1016/j.gr.2013.1006.1013)

(Geomar, 14.10.2013 – NPO)

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