Musik hilft dabei, Sport oder Arbeit weniger anstrengend erscheinen zu lassen. Aber warum? Lenkt sie einfach nur ab oder ändert sich auch körperlich etwas? Ein Experiment deutscher Forscher zeigt: Machten Probanden während ihres Workouts aktiv Musik, benötigten ihre Muskeln weniger Energie – die Anstrengung tatsächlich leichter. Das könnte auch erklären, warum Musikzweige wie der Blues ihren Ursprung in körperlicher Arbeit haben.
Einige Musikzweige wie Blues und Gospel sind in ihrer Entstehung direkt mit harter körperlicher Arbeit verknüpft: Als die Sklaven in den Baumwollplantagen schufteten, sangen sie; als Gefangene aneinander gekettet in Steinbrüchen Steine zertrümmerten, sangen sie und integrierten die Geräusche der Arbeit in ihre Musik. Wenn Sportler heute Höchstleistungen vollbringen wollen, lassen sie sich von Musik antreiben, mitunter auch von Fan-Gesängen.
Der Zusammenhang zwischen Musik und körperlicher Anstrengung ist bislang noch nicht neurowissenschaftlich erforscht worden. Bisher nahm man an, die Beschäftigung mit der Musik würde dem physisch schwer Beanspruchten von der Eigenwahrnehmung seines Körpers ablenken, so dass die körperliche Rückmeldung über die Beanspruchung weniger deutlich wahrgenommen würde.
Training macht Musik
Um die Frage klären zu können, entwickelten die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig eine Versuchsreihe, für die sie drei verschiedene Fitnessgeräte einsetzten. In einer ersten Versuchsreihe ließen sie immer jeweils drei Probanden die Geräte benutzen und dabei passiv Musik hören. Für einen zweiten Durchlauf hatten die Forscher die Trainingsgeräte so präpariert, dass bei deren Nutzung Musik entstand. Während ihres Trainings machten die Teilnehmer so interaktiv Musik. Bei allen Durchläufen maßen die Wissenschaftler Werte wie den Sauerstoffverbrauch und Änderungen der Muskelspannung und befragten die Probanden, wie anstrengend sie das Training empfanden.
Die Befragungen ergaben, dass die Mehrheit der Probanden die Anstrengung als wesentlich weniger stark empfand, während sie parallel Musik produzierten. Gleichzeitig ergaben die Messungen, dass während des Musikmachens die Muskeln weniger Energie verbrauchten, also physiologisch effektiver waren. „Dies lässt darauf schließen, dass die entwickelte Technologie als neue Kraftsporttechnik günstiger ist, vermutlich, weil die Muskulatur durch die musikalische Ekstase emotional besser gesteuert wird“, sagt Wissenschaftler Thomas Fritz vom Max-Planck-Institut.
Weniger Anstrengung
Die Studie zeigte, dass die Probanden die Anstrengung während des Musikmachens geringer empfanden und dabei dennoch mehr leisteten und eine effektivere Muskelaktivität aufwiesen. „Dieser Befund ist ein Durchbruch, weil er entscheidend hilft, die therapeutische Kraft von Musik zu verstehen“, erklärt Fritz.
Die Erkenntnisse lassen auch die Rolle, die Musik bei der Entstehung der menschlichen Gesellschaft gespielt hat, in einem anderen Licht erscheinen: “Eine Vielzahl von Ritualen ist mit Musik assoziiert. Die herabmodulierende Wirkung der musikalischen Aktivität könnte ein bisher unentdeckter Grund für die Entwicklung von Musik bei den Menschen sein: Musizieren macht physische Anstrengungen weniger strapaziös.“
(Max-PLanck-Gesellschaft, 17.10.2013 – NPO)