Forscher haben ein Material gefunden, dass die Wärmestrahlung eines Objekts komplett verändern kann. Schon eine dünne Schicht reicht, um es für einen Infrarotsensor quasi unsichtbar zu machen. Über eine solche thermische Tarnkappe berichten US-Forscher jetzt im Fachmagazin „Physical Review X“.
Mit einem Infrarotsensor lassen sich selbst im Dunkeln Menschen, Tiere oder auch warme Motoren leicht aufspüren: Die von ihnen abstrahlende Wärme leuchtet im Sensor gelbrot auf und hebt sich damit gut ab gegen das kühle Blau beispielsweise einer Wiese oder eines Waldes. Aber was wäre, wenn es eine thermische Tarnkappe gäbe, die die verräterische Wärmesignatur komplett überdeckt und im Hintergrund verschwinden lässt? In Experimenten erwies sich das Material Vanadiumoxid als wahres Infrarotchamäleon mit genau solchen Tarnkappeneigenschaften.
Infrarotsignatur eines viel kühleren Objekts
Wir befinden uns in einem Labor an der Harvard School of Engineering and Applied Sciences in Cambridge. Auf einer Heizplatte steht ein kleiner Würfel aus unbekanntem Material. Während die Heizplatte dieses Objekt langsam erhitzt, beobachten der Physiker Mikhail Kats und seine Kollegen es mit einer Infrarotkamera. Zunächst erscheint alles normal: Bei 60 Grad Celsius leuchtet das Objekt im infrarot bläulich-grün, bei 70°C färbt es sich allmählich gelblich, dann immer röter.
Doch dann passiert etwas Seltsames: Oberhalb von 74°C fällt die Wärmestrahlung des Objekts plötzlich stark ab. Bei 80°C erscheint es dadurch wieder blau – als wäre es nicht heiß, sondern sehr kühl. Doch würde man die Probe jetzt anfassen, könnte man sich vergewissern, dass dem nicht so ist – das Objekt hat sich weiter erhitzt. Trotzdem entspricht seine Infrarotsignatur der eines sehr viel kühleren Objekts.
Chamäleon-Material Vanadiumoxid
Das Geheimnis liegt in der Oberfläche des Objekts: Sie ist mit einer nur 150 Nanometer dünnen Schicht aus Vanadiumoxid überzogen. Dieses Oxid kommt in zwei verschiedenen Varianten vor: Unterhalb von rund 75°C besitzt es eine Art verzerrte Gitterstruktur, die das Material nichtleitend macht. Wird das Vanadiumoxid aber über diese Schwelle hinaus erhitzt, verändert sich die Anordnung der Atomkerne und Elektronen im Gitter. Dadurch wird es zu einem metallischen, elektrisch leitenden Stoff. Dieser temperaturabhängige Übergang ist bereits seit 1959 bekannt. Kats und seine Kollegen aber haben nun festgestellt, dass das Vanadiumoxid dadurch auch die thermischen Eigenschaften eines Materials verändern kann – wenn es als dünne Schicht wie ein Lack auf dessen Oberfläche appliziert wird. Der Übergang von einer Struktur in die andere beeinflusst dann die thermische Ausstrahlung des Objekts und wirkt wie eine Infrarot-Tarnkappe.
„Der Effekt ist so groß, dass wir unsere Proben bei 100°C nur halb so viel Wärmestrahlung abgeben wie bei 75°C“, berichten die Forscher. Das sei ein bemerkenswerter Kontrast zu herkömmlichen Materialien. Versuche zeigten zudem, dass sich die Eigenschaften des Vanadiumoxids gezielt manipulieren lassen. Indem die Forscher Unreinheiten oder Defekte ins Kristallgitter einfügen, können sie die Temperatur verändern, ab der der „Tarnkappen-Effekt“ auftritt. Versetzten sie das Vanadiumoxid beispielsweise mit Wolfram, ereignete sich der Strukturübergang bereits bei Raumtemperatur.
Maßgeschneiderte Metamaterialien
„Indem wir diese natürlichen Metamaterialien für unsere Zwecke maßschneidern, eröffnen wir einen ganz neuen Forschungsbereich und die Möglichkeiten für neue Anwendungen“, konstatieren die Forscher. So könnte ein Überzug mit Vanadiumoxid beispielsweise Fahrzeuge für Infrarotkameras unsichtbar machen. Umgekehrt könnte eine gezielte Markierung von Vehikeln oder Menschen diese besonders deutlich gegen einen Hintergrund abheben. Es ist wohl auch kein Zufall, dass einer der Geldgeber für dieses Forschungsprojekt das US Air Force Office of Scientific Research ist – eine solche thermische Tarnkappe wäre geradezu prädestiniert für militärische Zwecke.
(Physical Review X, 2013; doi: 10.1103/PhysRevX.3.041004)
(Harvard School of Engineering and Applied Sciences, Cambridge, 24.10.2013 – AKR)