Neurobiologie

Musikschule fürs Leben

Studie zeigt positiven Langzeiteffekt von Musikunterricht in der Kindheit

Musizieren in der Kindheit wirkt sich positiv auf die Hirnleistung im Alter aus © SXC

„Als Kind hab ich mal Gitarre gelernt – doch ich habe schon ewig nicht mehr gespielt“: Viele Menschen haben in ihrer Kindheit einige Jahre lang ein Instrument gespielt, doch das Musizieren im Laufe des Lebens wieder aufgegeben. War der Musikunterricht also vergebens? Offenbar nein, berichten nun US-Forscher im „Journal of Neuroscience“. Auch wenn die musikalischen Fähigkeiten verblasst sind, blieb ein positiver Effekt auf die Hirnleistung zurück: Ältere Erwachsene, die im Kindesalter ein paar Jahre lang ein Instrument gespielt haben, sind schneller bei der Verarbeitung gehörter Sprache.

Verarbeitungsleistung von Höreindrücken schwindet

Wenn der Mensch altert, spiegelt sich dies nicht nur in Falten wieder, auch die Leistungsfähigkeit des Gehirns schwindet. Dies betrifft auch die Verarbeitungsleistung von Höreindrücken: Das Gehirn von älteren Menschen verarbeitet schnelle Klangfolgen langsamer als das von Jüngeren. Deshalb fällt es manchen Senioren schwer, schnellem Redefluss zu folgen und die Inhalte zu erfassen. Doch dieser Effekt tritt nicht bei allen Menschen gleichermaßen auf. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass Musiker deutlich weniger zu einem Rückgang dieser geistigen Fähigkeit neigen.

In der aktuellen Studie wollten die Forscher um Nina Kraus von der Northwestern University herausfinden, ob dieser positive Effekt an aktives Musizieren gebunden ist, oder ob das Gehirn nachhaltig von musikalischer Ausbildung profitieren kann. Sie führten dazu eine Untersuchung mit 44 gesunden Erwachsenen im Alter von 55 bis 76 Jahren durch. Ihnen wurde die Silbe „da“ vorgespielt, während sie über Elektroden mit einem Elektroenzephalografen verbunden waren. Das Gerät erfasste die Aktivität im Hörzentrum der Probanden bei der Wahrnehmung der Silbe.

Beschleunigte Sprachverarbeitung noch nach Jahrzehnten

Die Auswertungen ergaben: Das Hörzentrum von Probanden, die in ihrer Kindheit oder Jugend 4 bis 14 Jahre lang musiziert hatten, reagierte deutlich schneller auf die Silbe als das der Studienteilnehmer, die niemals Musikunterricht bekommen hatten. Die Nervenreaktion war im Durchschnitt eine Millisekunde schneller. „Eine Millisekunde schneller klingt nicht viel, doch im Rahmen der Hirnfunktion ist es das“, kommentiert der Experte Michael Kilgard von der University of Texas das Ergebnis der Studie. Ihm zufolge kann sich dieser Unterschied deutlich in der Reaktionsfähigkeit älterer Menschen auf Gehörtes widerspiegeln.

Der Befund legt nahe, dass frühe musikalische Ausbildung einen bleibenden positiven Effekt auf die Fähigkeit zur Klangverarbeitung des Gehirns hat, sagen die Forscher. Musikunterricht bei Kindern könnte demzufolge wie eine Investition in deren Zukunft sein: Eine klingende Saat für gesundes Altern. „Die Tatsache, dass Musikunterricht in der Kindheit das „timing“ bei der Verarbeitung gehörter Sprache verbessert, ist besonders spannend, denn diese Fähigkeit ist die erste, die schwindet, wenn wir altern“, resümiert Kraus.

(The Journal of Neuroscience, 2013; doi: 10.1523/JNEUROSCI.2102-13.2013)

(The Journal of Neuroscience, 06.11.2013 – AKR)

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