Die Ozeanversauerung stört nicht nur Wachstum und Schalenbildung vieler Meerestiere und Algen. Sie kann einigen Organismen auch schwere Verdauungsstörungen bereiten. Ein internationales Forscherteam hat festgestellt, dass beispielsweise Larven des Grünen Seeigels ihre Nahrung nicht mehr richtig verdauen können, wenn sie in angesäuertem Wasser leben. Die dafür nötigen Enzyme arbeiten im saureren Wasser einfach nicht mehr so effektiv, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“.
Kohlendioxid-Emissionen beeinflussen nicht nur unser Klima, sondern auch die Ozeane auf der Erde. Ein Viertel des Kohlendioxids, das durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre gelangt, absorbieren die Meere. Dort reagiert das CO2 zu Kohlensäure, und macht das Wasser saurer. Frühere Studien zeigten bereits, dass die Ozeanversauerung vielen Tieren und auch Algen Probleme bereitet. So können Korallen, Kalkalgen und andere Schalenbildner nicht mehr ausreichend Kalk für ihre Skelette und Schalen aus dem Wasser aufnehmen. Bei einigen Tieren wird zudem das Wachstum verlangsamt.
Zu sauer für das Magenenzym
Jetzt haben Forscher eine weitere Wirkung des zu sauren Wassers entdeckt Sie stört die die Verdauung bei Larven der ökologisch wichtigen Grünen Seeigel (Strongylocentrotus droebachiensis). Wurden Larven dieser Art in Becken mit angesäuertem Meerwasser gehalten, dauert ihre Verdauung länger und ist weniger effektiv. „Meine Messungen zeigten eine sehr starke Abhängigkeit der Verdauung vom pH-Wert“, erklärt Meike Stumpp vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.
Messungen enthüllten auch den Grund für diese Störungen: „Die Enzyme in den Mägen der Seeigel funktionieren nur bei hohen pH-Werten optimal“, erklärt die Forscherin. Ist das Wasser zu sauer, hemmt das die Enzymfunktion. „Das unterscheidet diese Organismen eindeutig von Säugetieren, deren Magenflüssigkeit sauer ist und deren Enzyme bei niedrigen pH-Werten am besten arbeiten.“
Anpassung kostet Energie und hemmt Wachstum
Um sich anzupassen, müssen die Larven versuchen, das Milieu ihres Magens künstlich zu entsäuern. Das aber kostet Energie: „Im angesäuerten Wasser mussten die Larven mehr Energie aufbringen, um den hohen pH-Wert in ihren Mägen zu erhalten“, stellt Koautorin Marian Hu vom GEOMAR fest. Der Forscher wies mit Antikörper-Färbe-Verfahren eine hohe Konzentration von pH-regulatorischen Zellen an der inneren Magen-Oberfläche nach. Kulturexperimente und Fütterungsversuche zeigten, dass die Larven deutlich mehr fressen, um die verringerte Effizienz der Verdauung zu kompensieren.
Wenn die Organismen den zusätzlichen Energiebedarf, der sich durch die Ozeanversauerung ergibt, nicht durch die Nahrungsaufnahme decken können, wachsen sie eventuell schlechter oder sind weniger fruchtbar. Im Extremfall sterben sie, wie die Forscher erklären. „Da sich frühere Studien vor allem auf das Verständnis der Kalkbildung konzentrierten, wurden andere lebenswichtige Abläufe wie Verdauung und die Regulierung des pH-Werts im Magen vernachlässigt“, urteilt Stumpp. „Wir können nun zeigen, dass sie viel mehr Aufmerksamkeit verdienen.“ (Nature Climate Change, 2013; doi:10.1038/nclimate2028)
(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 18.11.2013 – NPO)