Verursachen Genmais und Pflanzenschutzmittel Brustkrebs und Nierenversagen? Bereits vor einem Jahr versuchte der französische Wissenschaftler Gilles-Éric Séralini dies zu beantworten. Die mittlerweile nur noch „Séralini-Studie“ genannte Veröffentlichung schlug seit dem September 2012 hohe Wellen in der Fachwelt. Unbedeutend, unwissenschaftlich, fehlerhaft oder sogar gefälscht, so lauteten die Vorwürfe. Andere Wissenschaftler fanden die Studie dagegen besorgniserregend. Mehr als ein Jahr später wollen die Herausgeber des Magazins die umstrittene Studie jetzt zurückziehen. Die Diskussionen um das Thema wird das allerdings kaum beenden.
Untersuchung von Für und Wider ist angebracht
Genmanipulierte Organismen in der Landwirtschaft sind immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Befürworter propagieren höhere Ernteerträge, dadurch bessere Versorgung und einen großen Schritt im Kampf gegen das Welthungerproblem, sowie selbstverständlich steigende Umsätze. Gegner verweisen auf unvorhersehbare Effekte auf das Ökosystem, sowie auf noch unbekannte Gesundheitsrisiken durch veränderte Pflanzen und Wirkstoffe. Wissenschaftliche Untersuchungen von Für und Wider genetisch veränderter Organismen sind also durchaus angebracht.
Was war nun der Anlass für die anhaltenden Diskussionen? Die Studie von Gilles-Éric Séralini sollte dazu beitragen, einige offene Fragen zu beantworten und nahm sich dafür Produkte der amerikanischen Firma Monsanto vor. Monsanto vermarktet seit den 1970er Jahren ein Unkrautvernichtungsmittel namens RoundUp, im Anschluss folgte genetisch verändertes und dadurch RoundUp-resistentes Saatgut. Landwirte können so flächendeckend Unkraut mit RoundUp beseitigen, während die Nutzpflanze und damit die eigene Ernte unversehrt bleibt.
Langzeiteffekte von Genmais auf Ratten
Séralini ist als engagierter Gegner von genmanipulierten Lebensmitteln bekannt. Seine Arbeitsgruppe an der Universität von Caen hatte die Langzeiteffekte von RoundUp sowie einer genetisch veränderten Mais-Sorte der Firma Monsanto untersucht. Sie fütterten Ratten während ihres gesamten Lebenszyklus mit RoundUp-resistentem Mais. Einigen Tieren setzten sie außerdem mit dem Herbizid versetztes Futter und Trinkwasser vor. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Magazin „Food and Chemical Toxicity“ (FCT).
Das Ergebnis der Séralini-Studie: RoundUp sowie RoundUp-resistenter Mais führen zu Leber- und Nierenversagen, bei weiblichen Tieren außerdem vermehrt zu Brusttumoren. Bereits die Art der Veröffentlichung sorgte für Aufmerksamkeit. Séralini organisierte eine Pressekonferenz und kündigte einen Dokumentarfilm über die Ergebnisse an. Journalisten, die ein Vorabexemplar der Studie zu lesen bekamen, mussten sich zu Stillschweigen gegenüber anderen Wissenschaftlern verpflichten.
Kritik an der Studie ließ nicht lange auf sich warten. Die Redaktion von FCT wurde mit Beschwerden überschüttet: Séralinis Experimente seien schlecht geplant und durchgeführt, der verwendete Rattenstamm für diese Art Experiment ungeeignet, seine Kontrollgruppen nicht ausreichend, seine statistische Auswertung unzulänglich, die Aussagekraft der Ergebnisse zweifelhaft. Auch der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e. V.) äußerte sich kritisch. Kernpunkte waren besonders die Auswahl der Ratten und statistische Mängel.
Fragwürdige Rattenauswahl und Statistik?
Bei den Ratten handelte es sich um sogenannte Sprague-Dawley Ratten. Dieser Stamm wird routinemäßig in Tierversuchen eingesetzt, gilt jedoch als ungeeignet für Langzeitexperimente. Da es sich um einen Inzuchtstamm handelt, haben die Tiere von vornherein ein sehr hohes Tumorrisiko. Tumorerkrankungen, wie Séralini sie beobachtet hat, sind keine Seltenheit in diesen Tieren, ein erhöhtes Tumorvorkommen ist daher nur schwer nachweisbar. Séralini hält dem entgegen, dass in den von Monsanto durchgeführten Toxizitätsstudien über RoundUp ebenfalls Sprague-Dawley Ratten verwendet wurden und daher nur so vergleichbare Ergebnisse erzielt werden konnten. Die Studien bei Monsanto erstreckten sich allerdings nur über 90 Tage, nicht über zwei Jahre.
Ebenfalls angezweifelt wurde die statistische Relevanz der Ergebnisse. Bis zu 80 Prozent der Tiere in den Testgruppen gegenüber 30 Prozent in der Kontrollgruppe hätten Tumoren entwickelt. Das klingt zunächst nach einem deutlichen Unterschied. Bei einer Größe von nur zehn Ratten pro Gruppe bedeutet das jedoch acht betroffene Ratten in der Testgruppe und drei Tiere in der Kontrolle. Vom Mittelwert fünf, der bei einer zufälligen Verteilung zu erwarten wäre, sind beide Werte nicht weit entfernt und lassen sich noch durch statistische Abweichungen erklären. Kritik an der Gruppengröße kontert Séralini mit Verweis auf Richtlinien der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die als Gruppengröße ein Minimum von zehn Tieren empfehlen.
Kritiken und Gegendarstellungen
Séralini veröffentlichte eine ausführliche Antwort auf alle Kritikpunkte in FCT, aber die Diskussionen nahmen nicht ab. All diese Kritiken und Gegendarstellungen veranlassten schließlich den Herausgeber des Magazins, das Autorenteam der Studie um Einsicht in die Rohdaten zu bitten. Diese Möglichkeit ist in den Richtlinien der meisten Fachmagazine durchaus vorgegeben. In der Praxis geschieht eine solche unabhängige Durchsicht jedoch äußerst selten. In den meisten dieser Fälle liegt ein schwerwiegender Verdacht auf Datenfälschung vor.
In einem Brief vom 19. November 2013 teilt A. Wallace Hayes, Chefredakteur von FCT, Séralini die Ergebnisse dieser Überprüfung mit. Er empfiehlt ihm, die Studie zurückzuziehen, andernfalls würde die Rücknahme durch das Magazin erfolgen. Zwar lobt er in der beiliegenden Stellungnahme die umfassende Kooperation Séralinis und weist ausdrücklich darauf hin, dass keine Fälschung oder vorsätzliche Fehlinterpretation der Daten gefunden wurde. Allerdings seien aufgrund der Datenlage keine eindeutigen Erkenntnisse möglich und die veröffentlichten Ergebnisse damit nicht tragbar.
Unzulässig, unwissenschaftlich, unethisch
Séralini und seine Arbeitsgruppe beharren auf der Richtigkeit ihrer Studie und der Bedeutsamkeit der Ergebnisse. Sie lehnten es ausdrücklich ab, die Studie von sich aus zurückzunehmen. Als Reaktion darauf zog das Fachmagazin am 28. November 2013 den Artikel ein. An Stelle des Artikels soll nun der Hinweis auf die Zurücknahme und die ausführliche Stellungnahme und Begründung des Magazins stehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Studie, die als Open-Access Dokument veröffentlicht ist, allerdings noch frei verfügbar – und steht sogar an Platz 1 der meistgeklickten Studien des Magazins.
Séralini hat für den Fall einer Zurücknahme mit rechtlichen Schritten gedroht. Die Aufklärungsorganisation GMWatch bezeichnet die Rücknahme auf ihrer Homepage als „unzulässig, unwissenschaftlich und unethisch“, und sieht sämtliche Vorwürfe gegen Megakonzerne wie Monsanto bestätigt. Ein Ende der Diskussion um die Séralini-Studie ist also noch nicht in Sicht. Die weitere Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern aller Standpunkte ist Séralini damit gewiss.
Original-Studie, FCT 2012; doi: 10.1016/j.fct.2012.08.005
Reaktion von Sérafinis Institut CRIIGEN
(Food and Chemical Toxicity, CRIIGEN, VBIO, 02.12.2013 – AKR)