Astronomen haben erstmals einen direkten Blick auf das riesige Netzwerk aus Gas geworfen, das das gesamte Universum durchzieht. Diese Filamente aus Wasserstoffgas sind quasi die Adern des Kosmos, sie versorgen die Galaxien mit Gasnachschub. Erst das starke Licht eines Quasars ließ nun einen Teil dieses Netzwerks aufleuchten und enthüllte so dessen dreidimensionale Struktur. Dabei zeigte sich Überraschendes, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Galaxien wie die Milchstraße sind keine willkürlich versprengten Materiehaufen in den unendlichen Weiten des Alls. Im Gegenteil: Sie entstehen auf den Knotenpunkten eines riesigen Netzes aus Gasfilamenten, die das Universum durchziehen. Das Wasserstoffgas dieser Filamente ist eine wichtige Zutat für die Bildung neuer Sterne. „Wenn man verstehen will, wie Galaxien entstehen, dann muss man wissen, welches Rohmaterial sie für die Sternentstehung zur Verfügung haben – und dieses Rohmaterial beziehen die Galaxien aus dem riesigen kosmischen Netz aus Gasfilamenten“, erklärt Joseph Hennawi, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.
Riesig, aber schwer zu erspähen
Dem direkten Blick der Teleskope entzieht sich das kosmische Netz jedoch. Denn die Gasfilamente leuchten so schwach, dass sie nicht zu erspähen sind. Astronomen behalfen sich daher bisher mit einem Trick: Sie wiesen nach, dass die Wasserstoffatome bestimmte Wellenlängen aus der Strahlung herausfilterten, die ferne Quasare zu uns schicken. Quasare sind supermassereiche schwarze Löcher im Zentrum von Galaxien, die Materie verschlingen und dabei Unmengen an Energie aussenden. Die Messungen bestätigten zwar die Existenz des Gases – über die dreidimensionale Struktur der Filamente lieferte sie jedoch keinen Aufschluss.
Sebastiano Cantalupo von der University of California in Santa Cruz und seine Kollegen haben diese Lücke nun geschlossen. „Dies ist das erste Mal, dass es gelungen ist, ein Bild des kosmischen Netzes aufzunehmen, das dessen Filamentstruktur zeigt“, sagt Koautor Fabrizio Arrigoni Battaia vom Max-Planck-Institut für Astronomie. Dem Team gelang es, einen rund zwei Millionen Lichtjahre großen Ausschnitt des Netzwerkes abzubilden, mit Hilfe eines besonderen Quasars.
Scheinwerfer im kosmischen Knoten
Die Heimatgalaxie des Quasars UM 287 sitzt an einem der Knoten des kosmischen Netzwerks und damit in optimaler Position, um die Struktur der umliegenden Filmanente zu beleuchten. Die intensive Strahlung des Schwarzen Lochs regt dabei die Elektronen der Wasserstoffatome im Gas an und hebt sie vorübergehend auf eine etwas weiter außen liegende Bahn. Springt das angeregte Elektron dann zurück in seinen Grundzustand, sendet es ultraviolette Strahlung aus – das Gas beginnt zu leuchten.
„Das Licht des Quasars ist wie der Strahl eines Scheinwerfers“, sagt Erstautor Cantalupo. „In unserem Fall haben wir das Glück, dass dieser Scheinwerfer direkt auf ein Filament des kosmischen Netzwerks gerichtet ist und dessen Gas zum Leuchten bringt.“ Diese Strahlung war mehr als zehn Milliarden Jahre lang unterwegs, bevor sie auf die Spiegel des Keck-I-Teleskops am Mauna Kea-Observatorium auf Hawaii traf.
Dichte Klümpchen im Netz
Erstmals gelang es dadurch den Astronomen, ein Bild der dreidimensionale Filamentstruktur aufzunehmen. Und schon dieser erste Blick auf das kosmische Gas-Netzwerk hält eine Überraschung bereit: Das Filament enthält mindestens zehn Mal so viel Wasserstoffgas wie es Computersimulationen vorgesagt hatten. Ein Großteil dieses Gases ist dabei nicht gleichmäßig verteilt, sondern bildet kleine, dichte Klümpchen. „Diese Beobachtungen sind eine Herausforderung für unser bisheriges Bild dieses intergalaktischen Gases“, sagt Cantalupo. Möglicherweise handelt es sich dabei um sogenannte dunkle Galaxien, dichte Gasansammlungen im kosmischen Netz, die zu klein oder zu jung sind, um Sterne entstehen zu lassen. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature12898)
(MPI für Astronomie / Nature, 20.01.2014 – NSC/NPO)