Kein Stich in den Finger mehr nötig: Diabetiker sollen mit einer neuartigen Kontaktlinse, die Googles Forschungslabor kürzlich vorgestellt hat, schnell und bequem ihren Blutzucker messen können. Die Linse ist nach Datenbrille und Smartwatch ein weiteres Beispiel von „Wearable Technology“. Jedoch ist Google nicht der einzige Entwickler in diesem Bereich: Auch deutsche Wissenschaftler arbeiten an ähnlichen Projekten.
Vor wenigen Tagen hat Google X, die Forschungsabteilung des Google-Konzerns, eine Kontaktlinse vorgestellt, die mit einem winzigen Chip den Zuckergehalt in der Tränenflüssigkeit messen soll. Beispielsweise bei Diabetespatienten soll die neue Linse auf schnelle und komfortable Weise den Blutzuckerspiegel kontrollieren, indem sie die gemessenen Werte etwa an eine Smartphone-App sendet. Bei zu hohem oder zu niedrigem Spiegel schlägt das Telefon dann Alarm.
Studienlage muss gesichtet werden
„Für Menschen mit Diabetes könnte eine elektronische Kontaktlinse, die den Blutzucker sekündlich misst, eine extreme Erleichterung im täglichen Selbstmanagement sein“, sagt dazu Thomas Danne, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE, einer gemeinnützigen Organisation zu Diabetes-Hilfe. Danne warnt jedoch auch vor vorschneller Begeisterung, da es sicher noch einige Zeit dauern werde, bis eine solche Kontaktlinse marktreif ist.
„Zunächst muss die Studienlage gesichtet werden, um einschätzen zu können, ob die Kontaktlinse eine ernsthafte Alternative zum herkömmlichen Blutzuckermessen werden könnte“, erklärt der Mediziner. „Auch wenn die Studienlage in Bezug auf den Nutzen und geringe Nebenwirkungen eindeutig wäre, folgt in den meisten Fällen ein langer Verhandlungsprozess mit den Krankenkassen.“
Die Google-Kontaktlinse ist allerdings nicht der einzige vielversprechende Kandidat für solche praktischen Messhelfer: Auch am deutschen Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) in Duisburg arbeiten Wissenschaftler an einem vergleichbaren System. In Zusammenarbeit mit dem niederländischen Sensorenhersteller Noviosense entstand dort ein winziger Biosensor, um den Zuckergehalt in Schweiß und Tränenflüssigkeit zu messen. Wie Googles Kontaktlinse funkt auch dieser Sensor die Messergebnisse drahtlos an einen Empfänger. Erste Studien mit Versuchspersonen sind zurzeit im Gang, nach dem Willen der Entwickler soll der Sensor in zwei bis drei Jahren marktreif sein.
Prototypen auf dem Weg zur Marktreife
Beide Prototypen haben bis dahin noch einen weiten Weg vor sich: Unklar ist laut Lutz Heinemann von der Deutschen Diabetes Gesellschaft zum Beispiel noch, ob in der Tränenflüssigkeit eine akute Unterzuckerung schnell und zuverlässig genug gemessen werden kann. Die Zuckerkonzentration ist dort etwa 50mal niedriger als im Blut, und Schwankungen des Wertes treten deutlich langsamer auf. Auch die Datenschutzlage ist noch offen: Patientendaten müssen auch bei drahtloser Übertragung geschützt bleiben. Dennoch ist Heinemann optimistisch: „Es ist eine sehr interessante Idee. Google mit seinem technologischen Know-how ist sehr willkommen als ein Unternehmen, das die Entwicklung in diesem Bereich vorantreiben kann.“
Einen etwas anderen Weg geht eine Erfindung aus dem Kinder- und Jugendkrankenhaus „Auf der Bult“ in Hannover: In einer Art künstlichen Bauchspeicheldrüse misst ein Sensor unter der Haut permanent den Blutzucker. Eine computergesteuerte Insulinpumpe passt anschließend die notwendige Insulindosis an. Auch dieses Gerät hat bereits erste Tests durchlaufen und soll möglichst bald zur Serienreife gelangen.
(diabetesDE, 24.01.2014 – AKR)