Evolution

Blaue Augen, dunkle Haut

Fossile DNA gibt einzigartige Einblicke in Aussehen und Lebensweise europäischer Steinzeitjäger

Blaue Augen, aber dunkle Haut: So sah der europäische Steinzeitjäger aus. © CSIC

Er hatte dunkle Haut, schwarze Haare, aber blaue Augen. Die Genanalyse eines vor 7.000 Jahren in Spanien lebenden Steinzeitjägers hat neue Aufschlüsse über Aussehen und Lebensweise unserer europäischen Vorfahren geliefert. Sie zeigt unter anderem, dass die Jäger und Sammler jener Zeit noch nicht an Milch und stärkehaltige Nahrung gewöhnt waren – das kam erst, als sich die Landwirtschaft etabliert hatte, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Forscher haben in den letzten Jahren so manchem uralten Skelett ins Erbgut geschaut. Das Genom des Ötzi wurde durchleuchtet, ja sogar das eines Neandertalers. Doch über die genetischen Eigenheiten der europäischen Jäger und Sammler der Mittelsteinzeit wussten Anthropologen bisher noch sehr wenig. Leider, denn sie könnten Aufschluss darüber liefern, welche der heute verbreiteten Erbanlagen wir bereits seit vielen Jahrtausenden in uns tragen – und welche Veränderungen erst auftauchten, als die Bewohner Europas in der Jungsteinzeit begannen, Land zu bestellen und Tiere zu züchten.

Jetzt hat ein Fossil aus eben jener entscheidenden Zeit neue Informationen über unsere Vorfahren geliefert. Entdeckt haben es Forscher in der Höhle von La Braña im Nordwesten Spaniens. Dort stießen sie bereits 2006 auf zwei rund 7.000 Jahre alte menschliche Skelette, die dank des gleichbleibend kühlen Höhlenklimas außergewöhnlich gut erhalten waren. Aus einem der Zähne des Skeletts „La Braña 1“ konnten Iñigo Olalde von Institut de Biologia Evolutiva in Barcelona und seine Kollegen nun genügend DNA gewinnen, um das Erbgut dieses steinzeitlichen Jägers und Sammlers zu analysieren.

Das Skelett von La Braña 1 a seinem Fundort in der Höhle © J.M. Vidal Encina

Verwandte am Baikalsee

Das Erbgut des fossilen Jägers bestätigte, dass dieser zu den mesolithischen Jägern und Sammlern gehörte und nicht zu den wenig später dominierenden frühen Bauern. Seine DNA ähnelt der eines aus der späten Altsteinzeit stammenden Skeletts, das vor einigen Jahren in der Nähe des Baikalsees in Russland gefunden worden ist. „Das deutet darauf hin, dass der Mensch von La Braña und der aus dem russischen Mal’ta trotz der enormen Entfernung miteinander verwandt waren“, erklären die Forscher. Die Jäger und Sammler Eurasiens bildeten offenbar damals eine kulturelle und genetische Einheit.

Wie und wovon der Mensch von La Braña lebte, verraten seine Gene ebenfalls. So trug er eine Genvariante, die ihn laktoseintolerant machte – er konnte keinen Milchzucker verdauen. Und von jenem Gen, das die Bauanleitung für das Protein Amylase in unserem Speichel liefert, hatte er lediglich fünf Kopien – eine Zahl, die auf eine stärkearme Ernährung hindeutet. „Die Ergebnisse legen nahe, dass der Jäger und Sammler von La Braña Milch und Stärke schlecht verdauen konnte“, berichten Olalde und seine Kollegen. „Das wiederum stützt die Hypothese, dass diese Fähigkeiten erst während des späteren Übergangs zur Landwirtschaft evolutionär bevorzugt wurden.“

Der Schädel des Steizeitjägers ist dank Höhlenklima gut erhalten. © J.M. Vidal Encina

Einzigartiges Aussehen

Auch optisch unterschied sich der Steinzeit-Jäger von den heutigen Bewohnern unseres Kontinents: Seine Haut war noch stark pigmentiert und daher sehr dunkel, seine Haare vermutlich braun oder schwarz, seine Augen jedoch blau. „Diese Merkmalskombination ist einzigartig und kommt in den heutigen europäischen Populationen nicht mehr vor“, so die Forscher. Sie deute darauf hin, dass sich die Genvarianten für hellere Haut, wie sie für heutige Europäer typisch ist, in der Mittelsteinzeit noch nicht durchgesetzt hatten. Die Gene für blaue Augen waren dagegen offenbar schon deutlich verbreiteter.

Zu guter Letzt nahmen die Wissenschaftler das Immunsystem des Jägers und Sammlers unter die Lupe. Wie sich zeigte, waren einige der Genvarianten, die moderne Europäer gegen Infektionen schützen, bei ihm bereits besonders reichlich vertreten. Vor allem in der Zelle sitzende Virensensoren waren stark ausgeprägt. Ein signifikanter Anteil des Rüstzeugs, das wir heute gegen Krankheitserreger besitzen, stammt demnach bereits aus der Zeit unser Jäger-und-Sammler-Vorfahren. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature12960)

(Nature, 27.01.2014 – NPO/NSC)

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