Umwelt

Megakanal mit verheerenden Folgen

Forscher warnen: In Nicaragua geplanter transozeanischen Kanal wäre eine ökologische Katastrophe

Wichtige Lebensgrundlage für Mensch und Umwelt: Der Nicaraguasee. © Axel Meyer

Ein gigantischer transozeanischer Kanal soll innerhalb der nächsten Jahre in Nicaragua entstehen. In „Nature“ warnen nun Biologen vor den katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt. Sollte das Megaprojekt wie geplant durchgeführt werden so prognostizieren die Wissenschaftler eine verheerende Zukunftsperspektive: der wichtigste Süßwasserspeicher der Region versalzt, Brutplätze bedrohter Tierarten werden zerstört, andere Tierarten vertrieben, indigene Völker werden umgesiedelt.

Der 82 Kilometer lange Panamakanal verbindet den Pazifik mit dem Atlantischen Ozean und erspart der Schifffahrt die Fahrt um das Kap Hoorn. In einem gigantischen Bauvorhaben soll nun ein weiterer transozeanischer Kanal errichtet werden. Um in Konkurrenz zu dem Panamakanal bestehen zu können, soll der zukünftige Nicaraguakanal 286 Kilometer lang und bis zu 520 Meter breit sein. Parallel zu ihm sind Straßen, Eisenbahnlinien und eine Ölpipeline geplant. Im Juni vergangenen Jahres hat das Parlament in Nicaragua einer Firma aus Hong Kong für bis zu 100 Jahre die Konzession für den Bau und Betrieb des Kanals per Gesetz übertragen.

Die Hong Kong Nicaragua Canal Development Investment Company (HKND) plant bereits in diesem Jahr mit dem mindestens 40 Millarden US-Dollar teuren Megakanalprojekt zu beginnen. Die Regierung Nicaraguas verspricht sich und der Bevölkerung des Landes durch das Projekt ein enormes wirtschaftliches Wachstum für die Region. Doch die Konsequenzen für den ökologischen Reichtum des Landes wären dramatisch, warnen nun die Biologen Axel Meyer von der Universität Konstanz und Jorge A. Huete-Pérez von der Universidad Centroamericana..

Der Nicaraguasee ist der wichtigste Süßwasserspeicher der Region. © Axel Meyer

Desaster für die Umwelt

Die geplante Route des Megakanals wird eine 90 Kilometer lange Schneise durch den Nicaraguasee schlagen, den wichtigsten Süßwasserspeicher der Region. „Allein für den von der Planung mit am stärksten betroffenen Nicaraguasee sind die möglichen Folgen eines solchen Megaprojekts als desaströs einzustufen: Verlandung und Versalzung würden ein fließendes Süßwasser-Ökosystem in ein künstliches Stauwasserreservoir mit Salzwasser verwandeln“, warnt Meyer. Der Wissenschaftler betont, dass nicht nur die einzigartige Fischwelt bedroht sei, sondern auch verheerende Umweltschäden bis hin zur endgültigen Vernichtung einzelner bedrohter Arten zu befürchten seien.

In seinem weiteren Verlauf soll der Kanal das Cerro Silva Naturreservat durchqueren, die Heimat zahlreicher Pflanzen- und Tierarten und unterschiedlicher indigener Völker. 400.000 Hektar Regenwald und Feuchtgebiete würden ihm auf seinem Weg zum Opfer fallen. Die Wissenschaftler befürchten katastrophale ökologische Folgen für die gesamte Region, darunter die Zerstörung der Brutplätze bedrohter Schildkrötenarten und die Verdrängung des Jaguars und des seltenen Harpyienadlers aus ihren Territorien. Sogar Umsiedlungen indigener Völker, wie die Miskitu und die Ulwa, sind in Planung um Platz für das chinesische Großprojekt zu schaffen.

Biologen warnen vor der Versalzung des Nicaraguasees. © Axel Meyer

Unabhängige Begutachtung bisher Fehlanzeige

Bisher hat die chinesische HKND für diese Pläne offenbar weitgehend freie Hand, wie die Forscher berichten. „Eine vom chinesischen Hauptinvestor beauftragte Firma soll innerhalb weniger Monate bis Mai 2014 einen Bericht zur Machbarkeit vorlegen, aber ernsthaft und unabhängig ausgeführte Studien über ein solches Großprojekt dauern mehrere Jahre und ziehen verschiedene ökologische und ökonomische Alternativen in Betracht“, erläutern Meyer und Huete-Pérez. Sie betonen, dass insofern auch weiterhin keine seriöse und unabhängige Begutachtung des Bauvorhabens vorliege oder geplant sei.

Deshalb fordern die Biologen, dass ein internationales Komitee aus Naturwissenschaftlern und Soziologen gegründet werden soll, dass die Bevölkerung und Wissenschaftler Nicaraguas darin unterstützt, die möglichen Auswirkungen auf ihr Land richtig einzuschätzen. Sollte sich im weiteren Verlauf des Projektes herausstellen, dass der Bau des Megakanals der Region und ihrer Bevölkerung mehr Schaden zufügt als Nutzen bringt, so müsse die Regierung Nicaraguas das Projekt sofort stoppen, so die Forscher. (Nature, 2014; doi: 10.1038/506287a)

(Universität Konstanz, 20.02.2014 – KEL)

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