Überraschend harmlos: Bisher hielt man die großen Ur-Gliederfüßer des Kambriums für gefährliche Räuber. Doch trotz ihrer furchteinflößenden Kopfanhänge waren einige von ihnen nur sanfte Riesen: Sie filterten Plankton aus dem Wasser – ähnlich wie die heutigen Blauwale. Das belegen Fossilfunde in Nordgrönland. Diese Erkenntnis wirft ein ganz neues Licht auf die Lebenswelt in den Ozeanen vor rund 520 Millionen Jahren, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Sie waren die ersten großen Räuber der Erde: Vor 520 Millionen Jahren dominierten die krebsähnlichen Anomalocariden das Urzeitmeer. Sie gehören nicht nur zu den ersten Mehrzellern der irdischen Lebenswelt, mit einer Länge von bis zu zwei Metern waren sie auch ziemlich groß. Diese frühen Gliederfüßer trugen Seitenlappen an ihrem segmentierten Rumpf, die sie zu guten und wendigen Schwimmern machten. Zudem besaßen sie an ihrem Kopf zwei lange, stachelbewehrte Anhänge, mit denen sie selbst größere Beute fingen – so dachte man jedenfalls bisher.
Kopfanhang als Sieb
Doch die nun in der Sirius Passet-Formation in Nordgrönland entdeckten Fossilien zeichnen ein anderes, vielseitigeres Bild. Bei den Funden handelt es sich um insgesamt fünf Teile von Kopfanhängen der Anomalocariden-Art Tamisiocaris borealis. Von dieser Art war bisher nur ein zerbrochenes Teilstück eines solchen Anhangs bekannt. Daraus aber ließ sich nicht entnehmen, wie dieses Tier aussah und wie es sich ernährte.
Jakob Vinther von der University of Bristol und seine Kollegen haben nun die neuen Funde genauer untersucht und kommen zu einem überraschenden Schluss: Tamisiocaris borealis war gar kein gefährlicher Räuber der Urzeitmeere. Stattdessen nutzte er seine langen Kopfanhänge als Sieb, um damit Plankton aus dem Wasser zu fischen. Davon zeugen die langen, nach unten gerichteten Stacheln an den Anhängen, die sich seitlich verzweigen und überlappen.