Ein echter Meilenstein der synthetischen Biologie: Forscher haben erstmals ein Chromosom der Hefe komplett aus seinen Grundbausteinen nachgebaut und in eine lebende Zelle eingesetzt. Damit ist der erste funktionstüchtige Nachbau eines solchen Erbgutteils bei einem zellkerntragenden Lebewesen geglückt, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Immerhin ein Drittel seiner Gene teilt die Hefe mit uns Menschen.
Vor vier Jahren sorgte der Gentech-Pionier Craig Venter für einen ersten Meilenstein in der synthetischen Biologie: Er und sein Team produzierten ein komplett synthetisches Genom und verpflanzten dies in eine zuvor vom eigenen Genom befreite Bakterienzelle. Doch Zellen höherer Organismen stellen eine weit größere Herausforderung dar. Bei den Eukaryoten sitzt das Erbgut in einem Zellkern und ist, in Hüllstrukturen verpackt, auf mehrere Chromosomen aufgeteilt.
Jef Boeke von der Johns Hopkins University in Baltimore und seine Kollegen haben nun erstmals bei einem solchen eurkayotischen Organismus, der Bierhefe, ein solches Chromosom künstlich hergestellt und es einer Zelle eingepflanzt. „Diese Arbeit repräsentiert den bisher größten Schritt in den internationalen Versuch, das Genom der Hefe komplett künstlich nachzubauen“, erklärt Boeke. Für ihr Experiment suchten sich die Forscher das kleinste Chromosom der Hefe aus, das Chromosom III, das nur 2,5 Prozent der insgesamt zwölf Millionen genetischen Buchstaben des Hefe-Erbguts umfasst.
Nachgebaut und maßgeschneidert
Von den 316.667 Basenpaaren des natürlichen Vorbilds übernahmen die Forscher jedoch nur 273.871 Basenpaare für ihre Konstruktionsvorlage. Wiederholte Sequenzen, Teile der sogenannten Junk-DNA und mobile Segmente des Chromosoms ließen sie weg, in der Annahme, dass diese für die Funktion der Zelle nicht unbedingt benötigt werden. Zudem ergänzten sie einige Codestücke, die eine nachträgliche Identifizierung und Manipulation ermöglichen.
„Damit ist dies das am stärksten veränderte Chromosom, das jemals gebaut wurde“, erklärt Boeke. Für eigentliche Konstruktion des Chromosoms setzten Boeke und 60 Helfer mühsam kurze DNA-Schnipsel zu jeweils 1.000 Basenpaaren langen Stücken zusammen, die dann jeweils weiter zu immer längeren Ketten kombiniert wurden. Daraus entstand dann schließlich das künstliche Chromosom, synIII getauft.
Lebensfähig mit künstlichem Chromosom
Der entscheidende Test aber kam dann: Die Wissenschaftler setzen synIII in eine Hefezelle ein, deren eigenes drittes Chromosom zuvor entfernt worden war. Schon bei Bakterienzellen erweist sich die Aktivierung künstlicher Gene oder eines komplett künstlichen Erbguts als heikler Schritt, der meist erst nach mehreren Ansätzen funktioniert. Erst recht problematisch wird es, wenn größere Teile des Genoms verändert wurden. „Wenn man das Erbgut ändert, spielt man ein riskantes Spiel – eine falsche Änderung kann die Zülle töten“, sagt Boeke.
Doch bei der Hefe klappte es problemlos: Trotz der mehr als 50.000 Änderungen im genetischen Code des Chromosoms entwickelte sich die Hefe mit dem künstlichen Chromosom normal. „Das ist der Meilenstein, der wirklich zählt“, kommentiert Boeke. Es zeige, dass das künstliche Chromosom robust sei und dass man auf diese Weise der Hefe neue Eigenschaften verleihen könne.
Zwischen Euphorie und Skepsis
Schon jetzt ist die Hefe neben vielen Bakterien einer der wichtigsten Helfer in der Biotechnologie. So arbeiten Forscher bereits daran, mit Hilfe dieses Einzellers den Malaria-Wirkstoff Artemisin zu erzeugen. Die Möglichkeit, nun ganze Chromosomen dieses Organismus maßgeschneidert zu erzeugen, erweitert nach Ansicht der Forscher die Nutzungsmöglichkeiten. Die schnell wachsenden Zellen könnten dafür eingesetzt werden, Bio-Treibstoffe, medizinische Wirkstoffe oder Lebensmittel-Grundstoffe herzustellen. „Unsere Arbeit verschiebt den Zeiger der synthetischen Biologie von der Theorie in die Wirklichkeit“, konstatiert Boeke.
Andere Forscher sind allerdings weniger euphorisch. Sie halten das Verfahren für zu aufwendig, um es in großem Maßstab einzusetzen. Weniger drastische Eingriffe in das Hefegenom könnten ihrer Ansicht für die Zwecke schon ausreichen. „Aus praktischer Sicht ist es für die meisten biotechnischen Anwendungen zu teuer, synthetische Genome herzustellen“, kommentiert der Huimin Zhao von der University of Illinois in Urbana-Champaign in „Science“. Zudem könnten sich die solcherart manipulierten Hefestämme durchaus noch als zu krank oder anfällig erweisen.
Dennoch sehen er und viele andere Forscher auf diesem Gebiet die Arbeit von Boeke und seinen Kollegen durchaus als Durchbruch. „In gewisser Weise ist es wirklich eine Art Meilenstein, ähnlich wie die Entschlüsselung des menschlichen Genoms es für die Genetik war“, so Zhao. Denn auch damals waren die praktischen Anwendungen zunächst nur begrenzt, es veränderte aber dennoch die Sicht auf das Erbgut und bildete einen Anfang für die kommende Entwicklung. (Science, 2014; doi: 10.1126/science.1249252)
(NYU Langone Medical Center / New York University School of Medicine, 28.03.2014 – NPO)