Die Natur der Dunklen Energie ist weiter unklar. Aber neue Messungen machen ein exotisches Feld als Erklärung unwahrscheinlicher. Denn sie haben den Bereich stark eingeengt, in dem sich ein solches Feld noch verbergen könnte – um das mehr als Zehntausendfache. Gelungen ist dies dem europäischen Forscherteam mit ungewöhnlichen Mitteln: Sie nutzten ultrakalte Neutronen als Messwerkzeuge.
Fast drei Viertel des Kosmos sind nach gängiger Annahme mit Dunkler Energie angefüllt – einer geheimnisvollen Kraft, die der Gravitation entgegenwirkt. Sie ist vermutlich dafür verantwortlich, dass sich das Universum ausdehnt – und dies immer schneller. Welcher Natur diese Dunkle Energie aber ist, darüber kann bisher nur spekuliert werden. Eine mögliche Erklärung wäre Einsteins Kosmologische Konstante – und somit eine intrinsische Eigenschaft des Raums selbst. Deshalb nimmt sie auch zu, wenn sich der Raum ausdehnt.
Eine andere Erklärung liefert die „Quintessenz“-Hypothese: „Vielleicht ist der leere Raum nicht leer, sondern durch ein unbekanntes Feld erfüllt, ähnlich dem Higgs-Feld“, erklärt Hartmut Abele von der TU Wien. Im Gegensatz zur Kosmologischen Konstante könnte dieses Feld in Raum und Zeit variieren. Untersucht wurden die Eigenschaften der Dunklen Energie bisher vor allem im kosmischen Maßstab– beispielsweise durch Messungen der Expansion des Universums.
Quantenzustände als Messhilfe
Doch Abele und seine Kollegen haben sich auf das andere Extrem verlegt: den Mikrokosmos. Bereits 2011 entwickelten Abele und sein Kollege Tobias Jenke dafür die Methode der Gravitations-Resonanz-Spektrometrie. Bei dieser werden ultrakalte Neutronen, die ungeladenen Bausteine der Atomkerne, zwischen zwei parallele, horizontale Platten gebracht. Nach der Quantentheorie können die Neutronen in diesem Zustand nur diskrete Quantenzustände einnehmen – und diese werden wiederum durch die Gravitation beeinflusst, die auf die Teilchen wirkt.
Wirkt die Dunkle Energie, beispielsweise in Form eines Quintessenz-Felds auf dieses System ein, dann müsste sich dies in winzigen Abweichungen von dem theoretisch Vorhergesagten bemerkbar machen. Um diese winzigen Schwankungen zu messen, versetzen die Forscher eine der Platten in Schwingungen mit sich verändernder Frequenz. Entspricht eine der Frequenzen genau der Energiedifferenz zwischen zwei Quantenzuständen, gibt es einen Resonanzeffekt und das Neutron springt in einen höheren Energiezustand. Dieses Ereignis können die Forscher messen und damit die genaue Lage der Quantenzustände – und mögliche Abweichungen – bestimmen.
Weniger Raum für „Chamäleon“-Effekt
Diese Methode haben Jenke, Abele und ihre Kollegen nun genutzt, um eine der Quintessenz-Theorien zu überprüfen – das sogenannte Chamäleon-Szenario. Dieses beschreibt eine bestimmte Form der Wechselwirkung zwischen dem Feldpotenzial der Dunklen Energie und der Materie. Die aktuellen Messungen ergaben jedoch bisher keine Hinweise auf eine solche Wechselwirkung. „Wir haben keine Abweichungen von den etablierten Newtonschen Gesetzen der Schwerkraft detektiert“, berichtet Abele.
Das bedeutet auch, dass der Bereich, in dem sich diese rätselhaften Feldwirkungen noch verbergen könnten, damit erheblich verkleinert wird. Die neuen Daten senken die in bisherigen Messungen festgestellte Obergrenze um das mehr als Zehntausendfache ab, wie die Forscher berichten. „Wir können dadurch eine große Spannbreite von Parametern ausschließen“, sagt Abele.
Die Suche geht weiter
Noch ist damit das Chamäleon-Szenario oder die Quintessenz-Theorie nicht vom Tisch. Denn theoretisch ist es immer noch möglich, dass es neuartige physikalische Felder oder Kräfte unterhalb der momentanen Auflösungsgrenze der Gravitations-Resonanz-Spektrometrie gibt. Die Forscher arbeiten daher daran, ihre Methode weiter zu verfeinern. Eine Steigerung der Genauigkeit um einige Größenordnungen halten sie dabei für durchaus machbar.
Sollte sich allerdings auch dann kein Hinweis auf exotische Felder und deren Wechselwirkungen finden, dann spräche das für Einsteins Kosmologische Konstante – und dafür, dass die Dunkle Energie doch eine ureigene Eigenschaft des Raumes selbst ist. ( Physical Review Letters, 2014)
(TU Wien, 17.04.2014 – NPO)