Der Käse lebt – oder zumindest seine Rinde. Denn auf ihr tummeln sich unzählige Mikroben. Erst ihre Tätigkeit erzeugt im Laufe der Reifung das typische Aroma des Käses. Was auf der Rinde eines Bergkäses lebt, haben österreichische Forscher jetzt untersucht. Sie fanden einen ursprünglich im Meer vorkommenden salzliebenden Keim, aber auch zahlreiche Pilze, deren genaue Funktion noch unbekannt ist.
Die Käserinde ist die Grenzfläche zwischen Käse und Umwelt. Sie schützt das Käseinnere vor dem Austrocknen, spielt aber auch bei der Reifung eine wichtige Rolle. Denn auf der Rinde lebt eine Vielzahl von Mikroorganismen, die ganz unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Sie zersetzen Eiweiße und Fette auf der Rinde und beeinflussen so die Reifung. Einige Sorten, wie zum Bespiel Limburger, Tilsiter und Appenzeller, verdanken Bakterien auf ihrer Rinde ihr Aroma, andere wiederum entwickeln dies mit Hilfe von Schimmelpilzen, wie zum Beispiel Camenbert und Brie.
Wichtig auch für die Gesundheit
Mikroorganismen am Käse machen das Endprodukt aber nicht nur aromatisch, haltbar und gut genießbar, sie sind auch für die Lebensmittelsicherheit von großer Bedeutung. Viele Bakterien auf der Käserinde können vor gefährlichen Keimen schützen, indem sie Hemmstoffe gegen krankheitserregende Bakterien, wie zum Beispiel gegen Listerien, bilden. Sie wirken damit quasi als „Schutzmacht“ für den Käse.
„Genau zu verstehen, welche Mikroorganismen sich auf der Rinde befinden und was ihre Aufgaben in dem komplexen Miteinander sind, ist unser Forschungsgegenstand“, erklärt Studienleiter Stephan Schmitz-Esser von der Veterinärmedizinschen Universität Wien. „So können wir die Käsereien dabei unterstützen, einen sicheren und schmackhaften Käse zu produzieren“.
Käsesammeln für die Wissenschaft
Während im Käseland Frankreich die Erforschung der Mikrobenwelt auf dem Käse schon weit fortgeschritten ist, hinkt dies bei deutschen Käsesorten noch hinterher. Die Forscher haben daher nun die mikrobiellen Bewohner des Vorarlberger Bergkäses genauer unter die Lupe genommen. Dieser Bergkäse ist eine ursprungsgeschützte regionale Spezialität und wird jedes Jahr in großen Mengen produziert. Ähnliche Bergkäse gibt es auch in den Tirol und dem Allgäu.
Schmitz-Esser und seine Kollegen untersuchten für ihre Studie Käseproben aus drei verschiedenen Vorarlberger Käsereien. In jedem Käsekeller sammelten sie 25 bis 30 Rindenproben von Käselaiben unterschiedlicher Altersklassen, von ganz jung bis alt gereift. Anschließend unterzogen die Wissenschaftler die Käserinden einer detaillierten genetischen Analyse, um die darauf lebenden Bakterien- und Hefestämme zu identifizieren.
Ein Meereskeim und Pilze
Die genetischen Analysen förderten einiges Überraschendes zutage. So gehörte die am häufigsten identifizierte Gensignatur einem alten Bekannten – allerdings nicht aus der Käserei, sondern vom Meer: Das Bakterium Halomonas ist ein salzliebender Keim, der ursprünglich wahrscheinlich aus dem Ozean stammt. Weil die Käserinde vor und teilweise auch während der Reifung mit Salzwasser benetzt wird, fühlt sich der Keim hier ziemlich wohl. Welche Funktion Halomonas-Keime am Käse genau haben, ist aber noch unbekannt.
Die Analysen ergaben auch, dass sich die Zusammensetzung der Mikroben während der Käsereifung verändert: Auf dem jungen Käse tummelten sich vor allem Halomonas-Arten, außerdem auch die Art Brevibacterium aurantiacum. Bei älteren, reifen Käsen dagegen nimmt die Zahl der Halomonas-Keime ab, wie die Forscher berichten. Der Grund: Mit der Reifung der Rinde sinkt auch der Salzgehalt. Dafür nahm dann eine Staphylokokken-Art zu.
Neben insgesamt 39 Bakterienarten fanden sich auch sieben Pilzarten auf der Käserinde. Am häufigsten war dabei der Schimmelpilz Scopulariopsis brevicaulis. Auch die genaue Funktion dieser Pilze muss noch geklärt werden. Dennoch liefern diese Ergebnisse erste Einblicke darin, was sich so auf der Rinde der Käse tummelt – und wem wir damit das typische Aroma dieses Bergkäses zu verdanken haben. (Journal of Food Microbiology, 2014; doi: 10.1016/j.ijfoodmicro.2014.04.010)
(Veterinärmedizinische Universität Wien, 09.05.2014 – NPO)