Sensationeller Fossilfund: Paläontologen haben im Nordwesten Chinas erstmals eine ganze Kolonie von fossilen Flugsauriern entdeckt. Bisher waren Relikte dieser Saurier selten und wurden höchstens vereinzelt gefunden. Unter den 120 Millionen Jahre alten Fossilien sind auch die ersten guterhaltenen und nicht plattgedrückten Eier solcher Flugechsen. Dieser Fund gibt erstmals einen Einblick in die bisher nahezu unbekannte Lebensweise und Fortpflanzung der Flugsaurier.
Sie waren die urzeitlichen Herrscher der Lüfte – und die ersten Wirbeltiere, die fliegen konnten: Flugsaurier dominierten mehr als 150 Millionen Jahre lang den Luftraum unseres Planeten. Mit Flügelspannweiten von bis zu zwölf Metern, leichten Knochen und tragflächenartigen, dünnen Flughäuten waren sie perfekt an das Fliegen angepasst. Doch über die Lebensweise dieser Flugechsen ist bis heute nur wenig bekannt, denn Fossilien gibt es nur vereinzelt, Relikte von Jungtieren oder Eiern sogar noch seltener.
„Bisher waren nur vier einzelne, plattgedrückte Eier von Flugsauriern bekannt“, berichten Xiaolin Wang von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und seine Kollegen. Sie waren aber so schlecht erhalten, dass Details ihres Aufbaus kaum zu erkennen waren. Und auch darüber, wie die Flugsaurier ihren Nachwuchs aufzogen, verrieten diese Einzelfunde nichts.
Tausende Knochen und zahlreiche Eier
Das aber hat nun der aufsehenerregende Fund in der Xinjiang-Provinz im Nordwesten Chinas geändert. Im Sedimentgestein des Turpan-Hami-Becken stießen die Paläontologen auf einen wahren Schatz: hunderte, wahrscheinlich sogar tausende von fossilen Skeletten einer zuvor unbekannten Flugsaurierart. Eng beieinander liegen dort die gut erhaltenen Überreste von Männchen und Weibchen, Jungtieren und sogar Eiern.
„Das war absolut aufregend, sie alle an einer Stelle zusammen zu finden“, sagt Wang. Aus den Skeletten geht hervor, dass die Flugsaurier-Männchen etwas größer waren und einen ausgeprägteren Kopfkamm besaßen. Bei den Weibchen begann der Kopfkamm weiter hinten und war kleiner. Dies ist vor allem deshalb spannend, weil bei heutigen Reptilien oft die Weibchen größer sind – und weil es zu den Geschlechtsunterschieden bei Flugsauriern kaum Erkenntnisse gab.
Eier im Sandnest
Die fünf bisher ausgegrabenen Eier sind nicht nur größtenteils vollständig erhalten, sie sind auch nicht plattgedrückt, so dass erstmals die ursprüngliche, dreidimensionale Form solcher Flugsaurier-Eier sichtbar wird. Die Eier sind etwa 6 Zentimeter lang und 3,4 Zentimeter breit und leicht asymmetrisch oval. Statt einer festen Kalkschale besitzen sie nur eine hauchdünne, biegsame Kalkhülle, die außen auf einer dickeren festen Haut aufliegt. Damit ähneln sie den Eiern heutiger Schlangen und Eidechsen, wie die Forscher erklären.
Aus der Lage und den etwas unterschiedlichen Größen der Eier schließen die Paläontologen, dass sie nicht ein Gelege bilden, sondern von verschiedenen Weibchen stammen müssen. Wahrscheinlich vergruben die Flugsaurier ihre Eier im feuchten Sand des Seeufers, um sie vor dem Austrocken zu schützen – ähnlich wie heute noch viele Seeschildkröten. Sie überließen die Nester aber offensichtlich nicht sich selbst, sondern bildeten eine große Kolonie am Strand.
Gemeinsamer Tod im Sturm
„Unsere Funde belegen, dass diese Flugsaurier ein geselliges Verhalten an den Tag legten“, konstatieren die Paläontologen. Höchstwahrscheinlich starben die Urzeit-Echsen auch gemeinsam:
Aufgewühltes Sediment in der gleichen Schicht wie die Knochen deuten darauf hin, dass vor 120 Millionen Jahren mindestens ein starker Sturm über das flache, sandige Ufer des Sees hinwegfegte. Wahrscheinlich löste dieser Sturm ein Massensterben aus, dem ein Großteil der Flugsaurier-Kolonie zum Opfer fiel.
Von den Überresten dieser Kolonie erhoffen sich die Paläontologen nun weitere Erkenntnisse zu Lebensweise und Sozialverhalten dieser urzeitlichen Riesen der Lüfte. (Current Biology, 2014; doi: 10.1016/j.cub.2014.04.054)
(Cell Press / Current Biology, 06.06.2014 – NPO)