Die Kunst der Mumifizierung in Ägypten ist 1.500 Jahre älter als gedacht: Schon in der Jungsteinzeit wurden Tote mit einer komplexen Tinktur einbalsamiert, wie chemische Analysen von Harzresten an oberägyptischen Mumien zeigen. Das Rezept dieser Tinkturen glich schon damals dem, das später auch bei den Pharaonen genutzt wurde, wie Forscher im Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten.
Eine der ältesten bekannten Grabstätten Ägyptens liegt in Mostagedda in Oberägypten. In dieser trockenen Wüstengegend begruben die Menschen in der Zeit von 4500 bis 3350 vor Christus ihre Toten in einfachen ovalen Gruben, die durch Holzlatten oder Steine abgedeckt wurden. Die Leichen wurden dabei bereits mit Leinenbinden umwickelt und von Grabbeigaben begleitet. Ausgrabungen zeigen, dass die Toten nicht verwesten, sondern als ausgetrocknete Mumien erhalten blieben.
Rätselhafte Harzreste
„Bisher nahm man aber an, dass die Körper auf natürliche Weise durch das trockene, heiße Wüstenklima mumifiziert wurden“, erklären Jana Jones von der Macquarie University in Sydney und ihre Kollegen. Denn nach gängiger Annahme begannen die Ägypter erst 2200 vor Christus damit, ihre Toten einzubalsamieren. Stutzig machte die Forscher jedoch, dass einige der Leinenreste an den Mostagedda-Mumien mit einer harzähnlichen Substanz getränkt zu sein schienen – ähnlich wie es bei den späteren Einbalsamierungen der Ägypter üblich war.
Um herauszufinden, worum es sich bei diesen Substanzen handelte und ob sie möglicherweise doch die Reste einer gezielten Präparation der Toten darstellen, untersuchten die Forscher mehr als 50 Proben von Textilien aus den frühen Gräbern dieser Region. Mikroskopische Analysen bestätigten, dass die meisten Leinenreste tatsächlich mit einer gummiartigen Substanz verklebt waren. Um deren genaue Zusammensetzung herauszufinden, analysierten die Wissenschaftler die Proben mit Hilfe verschiedener Gaschromatographie-Methoden.
Komplexe Mischung
Wie sich zeigte, handelte es sich bei der rätselhaften Substanz nicht um ein einfaches Harz, sondern um eine komplexe Mischung verschiedenster Ingredienzien. Nach Ansicht der Forscher ist dies ein klarer Hinweis darauf, dass diese Mixtur absichtlich aufgetragen wurde und der Einbalsamierung diente. „Die Rezeptur besteht aus einer Grundlage aus Pflanzenöl oder Tierfett, kombiniert mit geringeren Anteilen von Baumharz, Wachs, einem aromatischen Pflanzenextrakt und einem pflanzlichen, gummiähnlich klebenden Zucker“, berichten Jones und ihre Kollegen.
In ihrer Zusammensetzung und in den Anteilen ihrer Bestandteile ähnelt diese Substanz damit ziemlich genau der Tinktur, die tausende Jahre später bei den Mumien der Pharaonen zur Einbalsamierung genutzt wurde. Die Forscher stießen noch auf weitere Parallelen: So waren einige Bestandteile der Tinktur vorbehandelt, sie mussten extrahiert, gekocht oder anderweitig verändert werden, bevor sie zugesetzt wurden.
Gleiches Rezept wie bei den Pharaonen
Zudem enthielten die Substanzreste Inhaltsstoffe, die einer Verwesung der Leichen entgegenwirkten. „Diese harzähnliche Mixtur, mit der das prähistorische Leinen getränkt wurde, enthielt antibakteriell wirkende Substanzen in den gleichen Mengenanteilen, wie sie noch 2500 bis 3000 Jahre später von den ägyptischen Einbalsamierern genutzt wurden“, sagt Seniorautor Stephen Buckley von der University of York.
Diese Ergebnisse lassen nach Ansicht der Forscher nur einen Schluss zu: Die Geschichte der Mumifizierungen in Ägypten ist sehr viel älter als bisher angenommen. Schon in der späten Jungsteinzeit und in der Kupfersteinzeit begannen die Menschen dieser Region, komplexe Mixturen herzustellen, um damit ihre Toten zu konservieren. „Das verschiebt die Ursprünge dieser zentralen Facette der altägyptischen Kultur um rund 1.500 Jahre in die Vergangenheit“, konstatieren Jones und ihre Kollegen. Die Praxis der Einbalsamierung der Toten existierte damit schon lange bevor es die ersten Pharaonen in Ägypten gab. (PLOS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0103608)
(University of York /PLOS, 14.08.2014 – NPO)